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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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nur etwas mehr als die grosse Menge versteht, weiss, dass Gott keine rechte und linke Hand hat, sich weder bewegt noch ausruht, an keinem Orte, sondern unendlich ist, und dass er alle Vollkommenheit enthält. Das weiss, wie gesagt, wer die Dinge nach den Begriffen des reinen Verstandes prüft, und nicht so, wie seine Einbildungskraft durch die Sinne erregt wird, wie dies bei der Menge geschieht. Deshalb stellt diese sich Gott körperlich vor, wie er die königliche Herrschaft führt; sein Thron wird auf der Höhe des Himmels über die Sterne gestellt, deren Entfernung von der Erde man nicht für gross annimmt.
     
    Aus solchen und ähnlichen Meinungen sind, wie erwähnt, die meisten Vorfälle in der Bibel zurechtgestellt; der Philosoph darf sie deshalb nicht als wirkliche ansehen. Endlich ist für das Verständniss der Wunder und dessen, was davon sich wirklich zugetragen, die Kenntniss der hebräischen Ausdrücke und Bilder nöthig. Wer das nicht beachtet, wird in der Bibel viele Wunder finden, an die ihre Berichterstatter nie gedacht haben, und er wird deshalb nicht blos die Dinge und Wunder, so wie sie wirklich sich ereignet, sondern auch die Meinung der heiligen Schriftstellen ganz verkennen. So sagt z.B. Zacharias XIV. 7, wo er von einem kommenden Kriege spricht: »Der Tag wird einzig sein; nur Gott wird ihn kennen; nicht (wird er sein) Tag oder Nacht, aber zur Abendzeit wird Licht werden.« Damit scheint er ein
     
    grosses Wunder zu verkünden, und doch will er damit nur sagen, dass die Schlacht den ganzen Tag schwanken wird; dass nur Gott den Ausgang kenne, und dass sie gegen Abend den Sieg gewinnen werden; denn in solchen Ausdrücken pflegten die Propheten die Siege und Niederlagen der Völker zu verkünden und niederzuschreiben.
     
    So schildert Esaias XIII. die Zerstörung Babylons folgendermassen: »weil die Sterne des Himmels mit ihrem Licht nicht leuchten werden, die Sonne bei ihrem Aufgange sich verdunkeln und der Mond den Glanz seines Lichtes nicht entsenden wird.« Niemand wird glauben, dass dies bei Zerstörung dieses Reiches sich zugetragen, so wenig wie das, was er hinzufügt: »deshalb will ich den Himmel erzittern lassen, und die Erde soll von ihrer, Stelle gerückt werden.« Ebenso sagt Esaias XLVIII. letzter Vers, um den Juden anzudeuten, dass sie von Babylon sicher nach Jerusalem zurückkehren und auf der Reise von Durst nicht geplagt werden würden: »Und sie haben nicht gedürstet; er führte sie durch Wüsten und liess ihnen das Wasser ans den Felsen fliessen; er schlägt den Stein, und es flossen die Wasser.« Damit will er nur andeuten, dass die Juden in der Wüste Quellen, wie dies ja zu geschehen pflegt, finden würden, aus denen sie ihren Durst stillen könnten. Denn als sie mit Bewilligung: des Cyrus nach Jerusalem zogen, sind ihnen keine solchen Wunder begegnet. In dieser Art findet sich Vieles in der Bibel, was nur jüdische Redeweise ist. Ich brauche dies nicht einzeln aufzuführen, sondern erinnere nur am Allgemeinen, dass die Juden mit solchen Ausdrücken nicht blos auszuschmücken, sondern hauptsächlich auch ihre Gottesfurcht zu bezeichnen pflegten. Denn aus diesem Grunde findet sich in der heil. Schrift das »Gott segnen« statt »verfluchen« (l. Könige XXI. 10; Hiob II. 9), und. deshalb bezogen sie Alles auf Gott, und deshalb scheint die Bibel nur Wunder zu erzählen, wo sie von den natürlichsten Dingen spricht, wie ich davon einige Beispiele gegeben habe. Deshalb ist der Ausdruck der Schrift dass Gott das Herz des Pharao verhärtet, nur eine Bezeichnung für den Ungehorsam desselben, und wenn es heisst, Gott öffnet die Fenster des Himmels, so bedeutet dies nur, dass es viel geregnet habe, u. s. w.
     
    Wenn man daher darauf Acht hat, dass in der Bibel Vieles sehr kurz, ohne Nebenumstände und beinah verstümmelt erzählt wird, so wird man beinah Nichts in ihr finden, was dem natürlichen Licht widerspricht, und die anscheinend dunkelsten Stellen können bei mässiger Ueberlegung verstanden und leicht erklärt werden.
     
    Damit glaube ich das, was ich wollte, klar dargelegt w haben. Ehe ich indess dieses Kapitel schliesse, muss ich noch erwähnen, dass ich hier bei den Wundern ein ganz anderes Verfahren wie bei der Weissagung beobachtet habe. Ueber letztere habe ich nichts behauptet, was ich nicht aus den in der heiligen Schrift geoffenbarten Grundlagen ableiten konnte; allein hier habe ich das Wichtigste blos aus den Prinzipien abgeleitet, die das natürliche Licht

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