Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
einiger Aufmerksamkeit gelesen hat.
Hiermit ist erklärt, weshalb sich nirgends mehr als zwei Lesarten finden. Es kann deshalb daraus nicht im Mindesten geschlossen werden, dass die Bücher an den bemerkten Stellen absichtlich falsch abgefasst worden, um Geheimnisse anzudeuten.
Was aber den zweiten Einwand anlangt, dass einzelne Stellen so falsch geschrieben sind, dass sie unzweifelhaft dem Schreibgebrauch aller Zeiten widersprechen, weshalb sie unbedingt zu verbessern, aber nicht blos am Rande zu vermerken waren, so rührt mich dieser Einwand wenig; denn ich brauche nicht zu wissen, aus welchem Glauben sie es unterlassen haben. Vielleicht ist es aus Aufrichtigkeit geschehen; man wollte die Bücher, so wie man sie in den wenigen Exemplaren gefunden hatte, den Nachkommen überliefern und die Abweichungen der Originale nicht als zweifelhafte, sondern als verschiedene Lesarten vermerken. Ich selbst habe sie nur deshalb zweifelhaft genannt, weil sie es beinahe alle sind und ich nicht weiss, welche vorzuziehen ist.
Ferner bezeichneten die Abschreiber neben diesen zweifelhaften Lesarten auch noch durch einen leeren Zwischenraum, den sie mitten in den Abtheilungen liessen, dass die Stelle verstümmelt war. Die Masoreten geben die Zahl derselben an, nämlich 28, wo ein solcher leerer Raum sich befindet, und ich weiss nicht, ob sie auch in dieser Zahl ein Geheimniss verborgen glauben. Die Pharisäer halten gewissenhaft auf eine bestimmte Grosse dieses Zwischenraumes. Ein Beispiel, um ein solches anzuführen, ist Gen. IV. 8, welche Stelle so geschrieben ist: »Und Kain sagte zu seinem Bruder Abel...... und es traf sich, dass Kain, während sie auf dem Felde waren« u.s.w.; in dem leeren Raum sucht man die Worte, die Kain dem Bruder gesagt hat. Derart sind 28 Stellen ausser den schon bemerkten frei gelassen worden; doch würden, wenn dieser freie Raum nicht wäre, sie nicht als verstümmelt erscheinen. Doch genug davon.
Zehntes Kapitel
Die übrigen Bücher des Alten Testaments werden in gleicher Weise wie die vorgehenden untersucht.
Ich komme nun zu den übrigen Büchern des Alten Testamentes. Ueber die beiden Chroniken habe ich nichts Gewisses, und was sich der Mühe verlohnte, zu bemerken; wahrscheinlich sind sie lange nach Hezra und vielleicht nach Herstellung des Tempels durch Judas Maccabäus geschrieben. Denn Kap. 9 des ersten Buchs erzählt der Verfasser, »welche Familien zuerst (d.h. zur Zeit Hezra's) Jerusalem bewohnt hätten;« und dann giebt er v. 17 »die Thürsteher« an, von denen zwei auch Nehem. XI. 19 genannt werden. Dies zeigt, dass diese Bücher lange nach dem Wiederaufbau der Stadt geschrieben worden sind. Ueber deren wahren Verfasser, ihr Ansehen, Nutzen und Lehre ist mir nichts bekannt. Ich wundere mich sogar, weshalb sie unter die heiligen Bücher aufgenommen worden sind, obgleich man das Buch der Weisheit, den Tobias und die anderen Apokryphen von dem Kanon der heiligen Schriften ausschloss. Indess will ich ihr Ansehn nicht verstärken, sondern ich lasse sie, wie sie sind, nachdem sie einmal allgemein aufgenommen worden sind.
Auch die Psalmen sind zur Zeit des wiederaufgebauten Tempels gesammelt und in fünf Bücher vertheilt worden; denn der 88. Psalm ist nach dem Zeugniss des Juden Philo ausgegeben worden, als König Jehojachim im Gefängniss zu Babylon sich befand, und der 89. Psalm, als er die Freiheit erlangt hatte; Philo würde dies gewiss nicht gesagt haben, wenn es nicht die allgemeine Ansicht seiner Zeit gewesen wäre, oder er es nicht von glaubwürdigen Männern erfahren hätte. Die Sprüche Salomo's sind vermuthlich um dieselbe Zeit gesammelt, spätestens zur Zeit des Königs Josia; denn Kap. XXIV. letzter Vers heisst es: »Dies sind auch die Sprüche Salomo's, welche die Männer Hiskia's, des Königs von Juda, übersetzt haben.« Aber ich kann hier die Kühnheit der Rabbiner nicht unerwähnt lassen, welche dieses Buch mit dem »Prediger« aus der Sammlung der Bibel ausschliessen und mit den anderen, die ich bemängelt, zurückhalten wollten. Dies wäre auch sicherlich geschehen, wenn sie nicht mehrere Stellen gefunden hätten, wo das Gesetz Mosis empfohlen wird. Es ist zu bedauern, dass diese heiligen und besten Sachen von ihrer Auswahl abhingen; doch weiss ich ihnen Dank, dass sie sie uns mitgetheilt, obgleich ich bezweifeln möchte, dass es im guten Glauben geschehen sei; indessen mag ich dies nicht streng untersuchen.
Ich gehe zu den Büchern der
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