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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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lange und längst überlegt gehabt, und obgleich ich als Knabe in die gewöhnlichen Ansichten über die Bibel eingeführt worden bin, so habe ich doch dergleichen zuletzt nicht annehmen können.
     
    Indess brauche ich den Leser nicht länger hier festzuhalten und zu verzweifelten Dingen aufzufordern; es war aber nöthig, die Sache selbst darzulegen, um meine Ansicht deutlicher zu machen, und ich gehe daher nun zu den weiteren Schicksalen dieser Bücher über. Denn ich muss ausser dem Obigen bemerken, dass diese Bücher von der späteren Zeit nicht so sorgfältig aufbewahrt worden sind, dass keine Fehler sich hätten einschleichen können. Die älteren Abschreiber haben manche zweifelhafte Lesarten bemerkt und manche Lücken, wenn auch nicht überall. Ob diese Fehler so erheblich sind, dass sie den Leser stören, darüber streite ich nicht; ich halte sie nicht für so bedeutend, wenigstens nicht für Die, welche die Schriften mit freierem Urtheil lesen, und ich kann wenigstens behaupten, dass ich in Betreff der Moralvorschriften keinen Fehler und keine Verschiedenheit der Lesart bemerkt habe, welche den Sinn dunkel oder zweifelhaft machen könnte. Allein man will auch bei dem Uebrigen keine Fehler zugestehen, sondern behauptet, Gott habe durch besondere Vorsehung alle Bücher der Bibel unversehrt erhalten, und die verschiedenen Lesarten seien das Zeichen tiefer Geheimnisse, und dies soll auch von den Sternchen in der Mitte des Abschnittes 28 gelten; ebenso seien in den Spitzen der Buchstaben grosse Geheimnisse enthalten. Ich weiss nicht, ob man dies aus Dummheit und greisenhafter Unterwürfigkeit oder aus Uebermuth und Bosheit, als hätte man allein die Geheimnisse Gottes, behauptet; aber ich weiss, dass ich nichts bei ihnen gefunden habe, was nach Geheimniss aussähe, sondern nur kindische Gedanken. Ich habe auch einige Kabbalisten gelesen und näher kennen gelernt, über deren Tollheit ich nicht genug staunen kann. und dass Fehler sich eingeschlichen haben, dies wird Niemand mit gesunden Sinnen bestreiten können, welcher den Text Saul's liest, der aus 1. Sam. XIII. 11 schon angeführt worden, und ebenso 2. Sam. VI. 2, wo es heisst: »Und es erhob sich und ging David und das ganze Volk, was bei ihm war, aus Juda, um die Bundeslade Gottes von da wegzutragen.« Jedermann muss hier sehen, dass der Ort, wohin sie gingen, um die Lade fortzutragen, nämlich Kirjat Joharim, ausgelassen ist. Auch 2. Sam. XIII. 32 ist verstellt und verstümmelt; es heisst: »Und Absalon floh und ging zu Ptolemäus, dem Sohn Hamihud's, König von Gesur, und trauerte seinen Sohn alle Tage, und Absalon floh und ging nach Gesur und blieb dort drei Jahre.« Dergleichen Stellen habe ich früher noch mehrere mir bemerkt, die ich jetzt nicht zur Hand habe; dass die Randbemerkungen an einzelnen Stellen der hebräischen Manuskripte zweifelhafte Lesarten gewesen sind, kann Niemand bezweifeln, welcher beachtet, dass die meisten aus der grossen Aehnlichkeit der hebräischen Buchstaben unter einander entstanden sind; so gleicht der Buchstabe Kaf dem Bet, Jod dem Vau, Dalet dem Res u.s.w. Ein Beispiel ist 2. Sam. V., vorletzter Vers, wo es heisst: »und in dieser (Zeit) wo Du es hören wirst;« hier steht am Rande: »wenn Du es hören wirst,« und Richter XXI. 22, wo steht: »und wenn deren Väter und Brüder in Menge (d.h. häufig) zu uns kämen« u.s.w., ist am Rande bemerkt: »zu kämpfen.« Derart findet sich sehr Vieles. Ferner sind viele Randbemerkungen aus dem Gebrauch der Buchstaben entstanden, welche sie »Ruhende« nennen, die nämlich meist nicht ausgesprochen werden, und wo einer für den anderen gebraucht wird. Z.B. 3. Buch Mosis XXV. 27 heisst es: »Und es wird das Hans befestigt werden, was in der Stadt ist, die keine Mauer hat;« am Rande steht aber: »welche eine Mauer hat.«
     
    Obgleich dies Alles sehr einleuchtend ist, so will ich doch auf einige Ausführungen der Pharisäer antworten, womit sie zeigen wollen, dass diese Randbemerkungen von den Verfassern der heiligen Bücher selbst beigefügt oder angedeutet worden, um damit ein Geheimniss anzuzeigen. Ihren ersten Grund, der mich wenig berührt, entnehmen sie aus der gebräuchlichen Weise, die Schriften zu lesen. Wenn diese Noten, sagen sie, wegen der verschiedenen Lesart beigesetzt worden, worüber die Späteren gar nicht entscheiden konnten, wie ist es da gekommen, dass man den Sinn dieser Randbemerkungen überall festgehalten hat? Weshalb haben die Abschreiber den Sinn, den sie

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