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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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es eigentlich jenes göttliche Gesetz, von dem ich in Kap. 4 gehandelt habe, d.h. die allgemeine oder katholische Religion des ganzen Menschengeschlechts. Man sehe hierüber Esaias I. 10 u. f., wo er den wahren Lebenswandel schildert, der nicht in Gebräuchen, sondern in der Liebe und Wahrhaftigkeit besteht; diesen nennt er bald Gesetz, bald Wort Gottes. Dann wird das Wort bildlich für die Ordnung der Natur und das Schicksal gebraucht (da dies in Wahrheit vom ewigen Rathschluss der göttlichen Natur abhängt und daraus folgt) und vorzüglich für das, was die Propheten davon vorausgesagt, und zwar deshalb, weil sie das Kommende aus natürlichen Ursachen nicht erfassen konnten, sondern nur als Belieben und Beschlüsse Gottes. Dann wird es auch für jede Verkündung irgend eines Propheten gebraucht, soweit er sie durch seine besondere Kraft oder seine prophetische Gabe und nicht durch sein natürliches Licht erfasst hatte, und zwar vorzüglich deshalb, weil die Propheten in Wahrheit Gott als einen Gesetzgeber sich vorzustellen pflegten, was ich Kap. 4 gezeigt habe. - Aus diesen drei Gründen heisst die Schrift das Wort Gottes; weil sie nämlich die wahre Religion lehrt, deren ewiger Urheber Gott ist; dann weil sie die Weissagungen des Kommenden als Beschluss Gottes berichtet, und endlich weil ihre wahren Verfasser meistentheils nicht aus dem gemeinsamen natürlichen Licht, sondern aus einem besonderen, ihnen zu Theil gewordenen gelehrt und Gott als dies aussprechend eingeführt haben. Wenn nun auch daneben die Bibel noch Vieles enthält, was rein geschichtlich ist oder durch das natürliche Licht erkannt wird, so ist sie doch nach dem Grösseren benannt worden.
     
    Hieraus ergiebt sich leicht, in welchem Sinne Gott als der Urheber der Bibel anzusehen ist, nämlich der wahren Religion wegen, die sie enthält, aber nicht, weil Gott den Menschen eine bestimmte Zahl Bücher mittheilen wollte. Davon kann man auch entnehmen, weshalb die Bibel sich in die Bücher des Alten und Neuen Testamentes theilt. Vor der Ankunft Christi pflegten nämlich die Propheten die Religion als das einheimische Gesetz zu predigen und vermöge des zu Mosis Zeit eingegangenen Vertrages. Nach Christi Ankunft haben aber die Apostel sie als das allgemeine Gesetz blos auf Grund des Leidens Christi Allen gepredigt. Dieser Name hat also seinen Grund nicht in der Verschiedenheit der Lehre, oder weil sie die geschriebenen Urkunden des Bundes sind, auch nicht, weil die katholische Religion, die die natürlichste ist, eine neue ist, ausgenommen in Bezug auf die Menschen, die sie nicht kannten. »Er war in der Welt,« sagt der Evangelist Johannes I. 10, »und die Welt kannte ihn nicht.« Hätten wir also auch Weniger Bücher des Alten wie des Neuen Testamentes, so ermangelten wir doch nicht des Wortes Gottes (unter welchem, wie gesagt, die wahre Religion gemeint ist), sowie wir nicht glauben, ihrer deshalb zu ermangeln, weil uns viele vortreffliche Bücher fehlen, wie das Buch des Gesetzes, welches, wie die Urschrift des Bundes, sorgfältig im Tempel verwahrt wurde, und die Bücher der Kriege, der Zeitrechnungen und andere, aus denen die Bücher des Alten Testaments, die wir haben, ausgezogen und zusammengestellt worden sind.
     
    Dieses wird auch durch viele andere Gründe bestätigt. Denn erstlich sind die Bücher beider Testamente nicht im ausdrücklichen Auftrage und zu gleicher Zeit für alle Jahrhunderte abgefasst worden, sondern nach Gelegenheit, durch mancherlei Personen, wie die Zeit und ihre besondere Lage es erforderte. Dies ergeben deutlich die Berufungen der Propheten (die berufen worden sind, um die Gottlosen ihrer Zeit zu vermahnen) und die Briefe der Apostel. Zweitens ist es ein Unterschied, die Schrift und die Meinung der Propheten zu verstehen und den Willen Gottes, d.h. die Wahrheit selbst zu kennen, wie aus dem in Kap. 2 über die Propheten Gesagten erhellt. Dies gilt auch für die Geschichte und die Wunder, wie ich in Kap. 6 dargelegt. Aber dies kann von denjenigen Stellen nicht gesagt werden, welche von der wahren Religion und Tugend handeln. Drittens sind die Bücher des Alten Testamentes aus vielen ausgewählt und zuletzt von dem Rath der Pharisäer gesammelt und geprüft worden, wie ich in Kap. 10 gezeigt habe. Auch die Bücher des Neuen Testaments sind durch die Beschlüsse einiger Konzilien zu einem Kanon zusammengestellt, und andere, welche von Vielen für heilig gehalten wurden, sind durch deren Beschlüsse verworfen worden. Nun

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