Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
etwas Neues rein spekulativer Natur lehrten, was nicht schon bei den heidnischen Philosophen allbekannt war, die doch, wie sie sagen, blind gewesen. Denn fragt man nach den angeblich in der Bibel verborgenen Geheimnissen, so findet man nur die Erdichtungen des Aristoteles oder Plato oder ähnlicher Philosophen, die ein Blödsinniger leichter im Traume als der Gelehrteste in der Bibel auffinden würde. Ich mag allerdings nicht behaupten, dass zur Lehre der Bibel gar nichts Spekulatives gehöre; schon in den vorgehenden Kapiteln habe ich Manches derart beigebracht, was zu den Grundlagen der Schrift gehört; allein ich behaupte, dass dergleichen nur wenig und höchst einfach vorkommt. Welches dies nun ist, und wie es zu erledigen ist, das will ich hier darlegen.
Es wird dies leicht sein, nachdem wir wissen, dass die Schrift keine Wissenschaften hat lehren wollen; daraus kam man leicht abnehmen, dass sie nur Gehorsam von den Menschen verlangt und nur die Widerspenstigkeit, aber nicht die Unwissenheit verdammt. Da ferner der Gehorsam gegen Gott nur in der Liebe des Nächsten besteht (denn wer seinen Nächsten liebt, um Gott zu gehorchen, der hat, wie Paulus Röm. XIII. 8 sagt, das Gesetz erfüllt), so folgt, dass in der Bibel beim anderes Wissen empfohlen wird, als was Allen nöthig ist, damit sie Gott nach dieser Vorschrift gehorchen können, und ohne dessen Kenntniss die Menschen nothwendig ungehorsam oder mindestens ohne Regel für ihren Gehorsam sein würden. Dagegen berühren jene spekulativen Dinge, welche hierauf keinen Bezug haben, mögen sie die Erkenntniss Gottes oder die der natürlichen Dinge betreffen, die Bibel nicht und sind deshalb von der geoffenbarten Religion zu sondern.
Wenn dies nun auch von Jedermann, wie gesagt, leicht eingesehen werden kann, so will ich doch, weil davon die ganze Entscheidung über die Religion abhängt, diesen Punkt noch genauer darlegen und deutlicher erklären. Dazu gehört vor Allem der Nachweis, dass die geistige oder genaue Erkenntniss Gottes keine gemeinsame Gabe aller Gläubigen ist, wie der Gehorsam; ferner, dass jene Erkenntniss, welche Gott durch die Propheten von Jedermann verlangt und Jeder zu wissen schuldig ist, nur die Erkenntniss seiner Gerechtigkeit und Liebe ist. Beides lässt sich aus der Bibel leicht erweisen. Denn erstens folgt es deutlich aus Exod. VI. 2, wo Gott dem Moses zur Hervorhebung der besonderen, ihm gewährten Gnade sagt: »und ich bin offenbart dem Abraham, Isaak und Jacob als Gott Sadai; aber unter meinem Namen Jehova bin ich von ihnen nicht erkannt.« Zum besseren Verständniss bemerke ich hier, dass El Sadai im Hebräischen einen Gott bezeichnet, der hinreicht, weil er Jedem giebt, was er braucht; wenn auch Sadai oft blos für Gott gesetzt wird, so ist doch überall das Wort El (Gott) dabei mitzuverstehen. Ferner findet sich in der Bibel kein Name ausser Jehova, welcher Gottes unbedingtes Wesen ohne Beziehung zu den erschaffenen Dingen anzeigte. Deshalb behaupten die Juden, dass dieser Name allein Gott gebühre, die anderen aber nur zur Bezeichnung desselben dienten. Auch sind wirklich die übrigen Namen Gottes, mögen sie Haupt-oder Beiwörter sein, Attribute, die Gott zukommen, soweit er auf die erschaffenen Dinge bezogen oder durch diese offenbart wird. So das Wort » El «, oder mit dem Buchstaben He vergrössernd » Eloha «, was, wie bekannt, nur den Mächtigen bezeichnet und Gott nur als dem Vornehmsten zukommt; etwa so, als wenn man Paulus den Apostel nennt. In anderer Weise werden die Tugenden seiner Macht bezeichnet, wie El (mächtig) gross, furchtbar, gerecht, barmherzig u.s.w., oder man gebraucht dieses Wort in der Mehrzahl, um alle zusammenzufassen, aber in der Bedeutung einer einzelnen Person, was in der Schrift sehr häufig ist. Wenn also Gott dem Moses sagt, er sei unter dem Namen Jehova den Vätern nicht bekannt gewesen, so folgt, dass sie kein Attribut Gottes gekannt haben, was dessen unbedingtes Wesen ausdrückt, sondern nur seine Zustände und Versprechen, d.h. seine Macht, soweit sie sich durch Sichtbares offenbart. Aber Gott sagt dies nicht dem Moses, um Jene des Unglaubens zu beschuldigen, sondern vielmehr um ihren Glauben zu erheben, weil sie, wenn ihm auch die gleiche Erkenntniss Gottes, wie sie Moses hatte, abging, doch Gottes Zusagen fest und unverbrüchlich glaubten und nicht wie Moses handelten, der trotz seiner höheren Erkenntniss Gottes doch den göttlichen Zusagen nicht traute und Gott vorhielt, dass er
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