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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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offenbar von der Freiheit der Ermahnung, die ihm als Lehrer, aber nicht als Prophet zustand.
     
    Indess folgt daraus noch nicht sicher, dass die Apostel den Weg der Belehrung nach ihrem eigenen Ermessen hätten wählen können, sondern nur, dass sie vermöge des apostolischen Amtes nicht blos Propheten, sondern auch Lehrer gewesen sind, wenn man nicht die Vernunft zu Hülfe nimmt, welche deutlich sagt, dass, wer das Recht zu lehren hat, auch das Recht habe, den Weg dazu nach seinem Ermessen zu wählen.
     
    Doch ist es besser, die ganze Frage nur aus der Bibel zu beantworten. Aus ihr erhellt nämlich, dass jeder Apostel seinen eigenen Weg erwählt hat, nämlich aus Pauli Worten, Röm. XV. 20: »Ich sorgte eifrig, dass ich predigte, nicht wo der Name Christi angerufen wurde, damit ich nicht auf einer fremden Grundlage baue.« Hätten alle Apostel denselben Weg der Belehrung eingehalten und alle auf denselben Grundlagen die christliche Religion erbaut, so konnte Paulus die Grundlagen eines anderen Apostels nicht mit Recht »fremde« nennen; denn es waren dann auch seine eigenen. Da er also sie fremde nennt, so muss jeder Apostel die Religion auf einem besonderen Grunde aufgerichtet haben, und den Aposteln ist bei ihrem Lehramte dasselbe wie anderen Lehrern widerfahren, die eine besondere Lehrweise haben, nämlich, dass sie lieber die ganz ungebildeten belehren, welche die Sprachen und Wissenschaften, selbst einschliesslich der mathematischen, wo doch kein Zweifel ist, von Niemand anders zu lernen angefangen haben.
     
    Geht man weiter ihre Briefe mit Aufmerksamkeit durch, so ergiebt sich, dass die Apostel zwar in der Religion übereinstimmen, in den Grundlagen aber sehr von einander abweichen. Paulus lehrte, um die Menschen in der Religion zu befestigen und ihnen zu zeigen, dass das Heil nur von Gottes Gnade abhänge, dass Niemand sich seiner Werke, sondern nur seines Glaubens rühmen könne, und dass Niemand durch sein Wirken gerechtfertigt werde (Röm. III. 27, 28), also die ganze Lehre von der Vorherbestimmung; Jacobus lehrte dagegen in seinem Briefe, dass der Mensch durch seine Werke gerechtfertigt werde und nicht durch den Glauben allein (Brief des Jacobus II. 24), und er fasst die ganze Religionslehre, mit Beseitigung aller jener Streitpunkte des Paulus, in wenige Regeln zusammen.
     
    Endlich sind unzweifelhaft aus dem Unterschied dieser Grundlagen, auf denen die Apostel die Religion aufbauten, viele Streitigkeiten und Trennungen entstanden, von denen die Kirche schon von der Apostel Zeit ab fortwährend gelitten hat und sicherlich in Ewigkeit leiden wird, bis Religion von den philosophischen Spekulationen gesondert und auf die wenigen und einfachen Lehren zurückgeführt wird, die Christus den Seinigen gegeben hat. Die Apostel konnten dies nicht, weil das Evangelium den Menschen unbekannt war; sollte daher die Neuheit ihrer Lehre deren Ohren nicht zu sehr verletzen, so mussten sie dieselbe nach Möglichkeit den Meinungen jener Zeit anpassen (1. Korinth. IX. 19, 20 u. f.) und auf den damals bekannten und anerkannten Grundlagen aufbauen. Deshalb hat kein Apostel so viel philosophirt als Paulus, der berufen war, den Heiden zu predigen. Die Anderen hatten den Juden zu predigen, welche die Philosophie verachteten, und sie bequemten sich deshalb deren Ansichten (Galat. II. 18 u. f.) und lehrten die Religion ohne philosophische Betrachtungen. Auch unser Zeitalter wäre fürwahr glücklich, wenn man es frei von allem Aberglauben erblicken könnte.
     
     
Zwölftes Kapitel
 
    Ueber die wahre Handschrift des göttlichen Gesetzes, und weshalb es die heilige Schrift und das Wort Gottes heisst. Endlich wird gezeigt, dass sie, soweit sie das Wort Gottes enthält, unverdorben auf uns gekommen ist.
     
    Wer die Bibel, so wie sie ist, als einen Brief betrachtet, den Gott den Menschen vom Himmel gesandt hat, wird unzweifelhaft mich der Sünde gegen den heiligen Geist anklagen, weil ich Gottes Wort als fehlerhaft, verstümmelt, verfälscht und sich widersprechend dargelegt habe, von dem wir nur Bruchstücke besitzen und von dem die Urschrift des Vertrages Gottes mit den Juden verloren gegangen sei. Wer indess die Sache erwägt, wird diese Anklage schnell fallen lassen; denn die Vernunft sowohl wie die Aussprüche der Apostel und Propheten verkünden deutlich, dass das ewige Wort und Bündniss Gottes und die wahre Religion den Herzen der Menschen, d.h. dem menschlichen Geist von Gott eingeschrieben worden, dass sie die wahre

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