Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Handschrift Gottes ist, was er mit seinem Siegel, nämlich mit dem Begriff seiner, als dem Bilde seiner Gottheit, besiegelt hat.
Den ersten Juden ist die Religion wie ein Gesetz durch Schrift gelehrt worden, weil sie da nur als Kinder galten. Allein später predigen Moses (Deut. XXX. 6) und Jeremias (XXXI. 33) ihnen die kommende Zeit, wo Gott sein Gesetz in ihre Herzen schreiben werde. Deshalb geziemte es nur den Juden und vorzüglich den Sadducäern für das in den Tafeln verzeichnete Gesetz zu kämpfen; nicht aber Denen, die es in ihrer Seele eingeschrieben trugen. Wer hierauf achtet, wird in dem Bisherigen nichts finden, was dem Worte Gottes oder der wahren Religion und dem Glauben widerspricht oder beide schwächen konnte; vielmehr können wir dadurch darin nur befestigt werden, wie ich am Ende des zehnten Kapitels gezeigt habe. Ohnedem würde ich über diese Dinge ganz geschwiegen haben; ja, selbst um allen Schwierigkeiten zu entgehen, gern eingeräumt haben, dass in der Bibel die tiefsten Geheimnisse enthalten seien. Allein da daraus ein untrüglicher Aberglaube und andere verderbliche Nachtheile hervorgegangen sind, worüber ich im Beginn des 7. Kapitels gesprochen habe, so glaubte ich mich dem nicht entziehen zu dürfen, zumal da die Religion keiner abergläubischen Zierrathen bedarf, sondern nur an ihrem Glänze einbüsst, wenn sie mit solchen Erdichtungen geschmückt wird.
Man wird indess einwenden, dass, wenn auch das göttliche Gesetz dem Herzen eingeschrieben sei, die Bibel doch Gottes Wort bleibe, und deshalb dürfe man von der Bibel so wenig wie von Gottes Wort sagen, dass es verstümmelt und verfälscht worden. Allein ich fürchte, dass man hier in übertriebenem Eifer der Heiligkeit die Religion in Aberglauben verwandelt, ja Zeichen und Bilder, d.h. Papier und Tinte statt Gottes Wort anzubeten beginnt. So viel weiss ich, dass ich von der Schrift oder dem Worte Gottes nichts Unwürdiges gesagt habe; denn ich habe nur gesagt, was in seiner Wahrheit sich auf die klarsten Gründe stützt, und deshalb kann ich auch behaupten, nichts Gottloses und nach Gottlosigkeit Schmeckendes gesagt zu haben.
Ich räume ein, dass Menschen, denen die Religion eine Last ist, daraus die Freiheit zu sündigen entnehmen können, und dass sie daher ohne allen Grund, nur um ihrer Lust zu fröhnen, schliessen, die Bibel sei überall fehlerhaft, verfälscht und deshalb ohne Gültigkeit. Allein Diesen kann man niemals entgegentreten; nach dem bekannten Sprüchwort, dass Nichts so gut gesagt werden kann, was nicht durch schlechte Auslegung verderbt werden könnte. Wer seiner Lust fröhnen will, wird leicht einen Grund dafür finden, und selbst Die, welche die Originale selbst, die Bundeslade, die Propheten und Apostel hatten, sind nicht besser und gehorsamer gewesen, sondern Alle, Juden wie Heiden, waren Alle dieselben, und die Tugend war zu allen Zeiten selten.
Um indess hier alle Zweifel zu beseitigen, habe ich zu zeigen, in welchem Sinne die Schrift und irgend eine stumme Sache heilig und göttlich genannt werden kann; dann, was in Wahrheit Gottes Wort ist, und dass es nicht in einer bestimmten Zahl Schriften besteht, und endlich, dass die Schrift, soweit sie das zu dem Gehorsam und dem Heile Nöthige lehrt, nicht hat verderbt werden können. Daraus kann dann Jeder entnehmen, dass ich nichts gegen Gottes Wort gesagt und der Gottlosigkeit keinen Raum frei gemacht habe.
Ein Gegenstand heisst heilig oder göttlich, der zur Uebung der Frömmigkeit und Religion bestimmt ist, und er ist nur so lange heilig, als er zu diesem Zweck gebraucht wird. Hören die Menschen auf, fromm zu sein, so hört auch die Heiligkeit des Gegenstandes auf, und wenn sie ihn zur Vollziehung gottloser Dinge bestimmen, so wird der vorher heilige Gegenstand zu einem unreinen und weltlichen. So nannte der Erzvater Jacob einen Ort »Haus Gottes«, weil er da den ihm offenbarten Gott verehrte; allein die Propheten nannten denselben Ort »Haus der Ungerechtigkeit« (Hamos. V. 5, Hosea X. 5), weil die Israeliten nach der Einrichtung Jerobeam's da den Götzenbildern zu opfern pflegten. Ein anderes Beispiel macht die Sache noch klarer. Die Worte erhalten durch den Gebrauch eine bestimmte Bedeutung, und wenn sie nach diesem Gebrauch so eingerichtet werden, dass sie die Leser zur Andacht bestimmen, gelten jene Worte als heilige, wie das Buch, was so geschrieben ist. Verliert sich nun später dieser Gebrauch, so dass die Worte nichts mehr
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