Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
statt des versprochenen Heils die Lage der Juden schlimmer gemacht.
Wenn sonach die Erzväter den eigenthümlichen Namen Gottes nicht gekannt haben, und Gott Moses dies sagt, um ihre Einfalt und ihren Glauben zu rühmen, und um die besondere, dem Moses gewählte Gnade hervorzuheben, so folgt daraus klar, was ich zuerst gesagt, dass die Menschen durch den Befehl Gottes nicht gehalten sind, seine Attribute zu kennen, sondern dass dies nur ein besonderes, einzelnen Gläubigen gewährtes Geschenk ist. Es lohnt sich nicht, dieses noch durch mehr Stellen aus der Bibel zu belegen; denn wer sieht nicht, dass die Erkenntniss Gottes in allen Gläubigen nicht dieselbe gewesen, und dass Niemand auf Befehl weise sein kann, so wenig wie leben und dasein? Männer, Weiber, Kinder und Alle können wohl auf Befehl gleich gehorsam sein, aber nicht gleich weise.
Sagt Jemand, es sei zwar nicht nöthig, die Attribute Gottes einzusehen, aber man müsse sie einfach und ohne Beweis glauben, so sind dies Possen. Denn unsichtbare Dinge, die blos Gegenstände des Geistes sind, können nur durch die Augen der Beweise erkannt werden; wer also diese nicht hat, sieht davon überhaupt nichts, und was sie von dem blossen Hören der Worte haben, berührt ihre Seele so wenig wie die Worte eines Papagei oder eines Automaten, welche ohne Sinn und Verstand gesprochen werden.
Ehe ich indess weiter gehe, habe ich den Grund anzugehen, weshalb es im 1. Buch Mosis oft heisst, dass die Erzväter im Namen Jehova's gepredigt, da dies dem Obigen zu widersprechen scheint. Beachtet man indess das in Kap. 8 Gesagte, so ist die Erklärung leicht. Denn dort habe ich gezeigt, dass der Verfasser der Bücher Mosis die Dinge und Orte nicht genau mit dem Namen bezeichnet habe, welche in der Zeit, von der gesprochen wird, galten, sondern mit den bekannteren Namen der eigenen Zeit des Verfassers. Gott wird deshalb im 1. Buch Mosis den Erzvätern mit dem Namen Jehova genannt, nicht weil er ihnen darunter bekannt war, sondern weil dieser Name bei den Juden am meisten verehrt wurde. Dies muss man annehmen, weil es in der erwähnten Stalls des 2. Buch Mosis heisst, dass Gott den Erzvätern unter diesem Namen nicht bekannt gewesen, und weil auch Exod. III. 13 Moses den Namen Gottes zu wissen verlangt. Wäre er schon damals bekannt gewesen, so hätte ihn gewiss auch Mosis gekannt. Hieraus ergiebt sich, was ich gesagt, das die frommen Erzväter diesen Namen Gottes nicht gekannt haben, und dass die Kenntniss Gottes ein Geschenk, aber kein Gebot sei.
Es ist Zeit, dass ich nun zu dem zweiten Punkt übergehe und zeige, Gott verlange von den Menschen keine andere Erkenntniss seiner durch die Propheten als die Erkenntniss seiner Gerechtigkeit und Liebe, d.h. solcher Eigenschaften, welche die Menschen in ihrem Lebenswandel nachahmen können. Jeremias lehrt dies mit ausdrücklichen Worten, indem er XXII. 15, 16 über den König Josia sagt: »Dein Vater hat gegessen und getrunken und Gerechtigkeit geübt und gesprochen; da war ihm wohl; er schützte das Recht des Armen und Bedürftigen; das war ihm gut; denn (NB.) dies heisst mich erkennen, sagte Jehova.« Ebenso deutlich sagt er IX. 24: »Nur darin suche Jeder seinen Ruhm, mich einzusehen und zu erkennen; dass ich Jehova die Liebe bin, das Gericht und die Gerechtigkeit übe auf Erden; denn das ist meine Freude, sagt Jehova.« Es folgt dies ferner aus Exod. XXXIV. 6, 7, wo Gott dem Moses, der ihn zu sehen und zu kennen verlangt, keine anderen Eigenschaften offenbart, als die, welche die göttliche Gerechtigkeit und Liebe darlegen. Endlich muss ich hier jenen Aussprach des Johannes, der später folgen wird, erwähnen, welcher, weil Niemand Gott gesehen, Gott nur durch die Liebe erklärt und schliesst, dass der in Wahrheit Gott habe und kenne, der die Liebe habe. So besassen Jeremias, Moses, Johannes die Erkenntniss Gottes, die Jedermann haben muss, nur in Wenigem und setzen sie mit mir nur darein, dass Gott höchst gerecht und höchst barmherzig ist, oder das alleinige Muster eines wahren Lebens.
Dazu kommt, dass die Bibel keine ausdrückliche Definition Gottes giebt und ihm nur die erwähnten Eigenschaften zur Nachfolge beilegt und diese absichtlich preist; aus alledem ergiebt sich, dass die geistige Erkenntniss Gottes, Welche seine Natur an sich betrachtet, wie sie die Menschen in ihrem Lebenswandel nicht nachahmen und als Beispiel nehmen können, zur Erreichung eines wahren Lebenswandels und zum Glauben an die
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