Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
lieben. Es kann nichts Schlechteres und für den Staat Verderblicheres als dies erdacht werden.
Um hiernach festzustellen, wie weit im Glauben die Freiheit der Ansicht für Jeden geht, und wen man trotz seiner abweichenden Meinung als einen Gläubigen anerkennen muss, ist der Glaube und dessen Grundlage zu bestimmen. Dies ist die Absicht dieses Kapitels, in dem zugleich der Glaube von der Philosophie gesondert werden soll, was ein Hauptzweck bei meinem ganzen Werke gewesen ist.
Damit dies ordentlich geschehe, werde ich das wesentliche Ziel der ganzen Bibel wiederholen, da es uns den wahren Maassstab für die Bestimmung des Glaubens verschaffen wird. Ich habe in dem vorgehenden Kapitel gesagt, die Absicht der Bibel gehe nur auf die Lehre des Gehorsams. Dies kann Niemand leugnen; denn wer sieht nicht, dass beide Testamente nur eine Lehre des Gehorsams sind, und dass sie nur wollen, dass der Mensch aus wahrem Gemüthe gehorche. Ich will das in dem vorgehenden Kapitel Gesagte nicht wiederholen; aber Moses wollte die Israeliten nicht durch Gründe überführen, sondern durch einen Vertrag, Eide und Wohlthaten verpflichten; das Volk sollte bei Strafe den Gesetzen gehorchen, und durch Belehrungen ermahnte er es dazu. Dies sind Alles keine Mittel für die Wissenschaften, sondern nur für den Gehorsam. Die evangelische Lehre aber enthält nur den einfachen Glauben; man soll an Gott glauben, ihn verehren oder, was dasselbe ist, ihm gehorchen. Ich brauche deshalb für den Beweis dieses klaren Satzes die Stellen der Bibel, welche den Gehorsam empfehlen, und deren es mehrere in beiden Testamenten giebt, hier nicht anzuführen. Ferner sagt die Bibel an vielen Stellen auf das Deutlichste, was Jeder zu thun habe, um Gott zu gehorchen; das ganze Gesetz bestehe darin allein, dass man seinen Nächsten liebe; deshalb kann Niemand leugnen, dass Der, welcher in Folge Gottes Gebot seinen Nächsten wie sich selbst liebt, in Wahrheit gehorsam und nach dem Gesetz selig ist; wer dagegen ihn hasst oder vernachlässigt, ist ungehorsam und widerspenstig. Endlich erkennen Alle an, dass die Bibel nicht blos für die Klugen, sondern für alle Menschen jedes Alters und Geschlechts geschrieben und bekannt gemacht worden, und daraus folgt, dass man nach Anweisung der Bibel nur dies zu glauben brauche, was zur Befolgung dieses Gebotes durchaus nothwendig ist. Deshalb ist dieses Gebot der alleinige Maassstab des ganzen allgemeinen Glaubens, und daraus allein sind alle Glaubenssätze zu bestimmen, die Jeder anzunehmen schuldig ist.
Wenn dies sonnenklar ist, und wenn aus dieser Grundlage allein oder aus der blossen Vernunft Alles richtig abgeleitet werden kann, so kann Jeder beurtheilen, wie es gekommen, dass so viel Uneinigkeit in der Kirche entstanden ist; ob sie aus anderen Ursachen als den am Anfang des 7. Kapitels bemerkten entstehen konnte. Diese Streitigkeiten nöthigen mich deshalb, die Art und Weise darzulegen, wie aus dieser gefundenen Grundlage die Sätze des Glaubens abzuleiten sind. Denn wenn ich dies nicht thäte und die Frage nicht nach bestimmten Regeln beantwortete, so könnte man mit Hecht sagen, ich hätte bis hier nur wenig geleistet, da Jeder, was ihm beliebe, unter diesem Vorwand, es sei ein nothwendiges Mittel zum Gehorsam, einführen könne; namentlich wenn es sich um die göttlichen Eigenschaften handelt.
Um also die Sache ordnungsmässig zu erledigen, beginne ich mit der Definition des Glaubens, wie sie aus dieser gegebenen Grundlage sich ergiebt. Er besteht danach nur darin, von Gott nur das zu wissen, ohne welches der Gehorsam gegen Gott wegfällt, sowie das, was mit Annahme dieses Gehorsams zugleich anzunehmen ist. Diese Definition ist so klar und folgt so offenbar aus dem eben Erwiesenen, dass sie keiner Erläuterung bedarf. Dagegen will ich mit Wenigem zeigen, was daraus folgt, also: 1) dass der Glaube nicht um seinetwillen, sondern nur um des Gehorsams willen heilsam ist, oder, wie Jacobus II. 17 sagt, dass der Glaube allein, ohne Werke, todt sei, worüber dieses ganze genannte Kapitel des Apostels einzusehen ist; 2) folgt, dass der wahrhaft Gehorsame auch den wahren und heilbringenden Glauben hat. Denn ich habe gezeigt, dass aus der Setzung des Gehorsams nothwendig der Glaube folgt. Auch dies sagt ausdrücklich derselbe Apostel II. 18: »Zeige mir Deinen Glauben ohne Werke, und ich werde Dir aus meinen Werken meinen Glauben zeigen;« und Johannes, 1. Brief IV. 7, 8: »Wer (seinen Nächsten) liebt, ist
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