Theopolis - Heimat meines Herzens
dass ihre gewohnte Garderobe einem Vergleich mit den Designerstücken, die sie seit ihrer Ankunft hier gesehen hatte, nicht standgehalten hätte. Normalerweise verzichtete sie auf alles, was ihre Weiblichkeit betonen könnte, aber Constantine hatte sie letztlich davon überzeugt, dass ihre schlichten Kostüme und Hosenanzüge für den heißen, trockenen Inselsommer absolut ungeeignet seien. Überdies hätten sie nicht zu dem Bild gepasst, das alle sich von ihr machen sollten.
Vielleicht hatte sie auch ein wenig für ihr Ego tun wollen. Die teuren Kreationen waren allesamt geschaffen, um männliche Aufmerksamkeit zu erregen. Durchsichtige Blusen und knappe Leggings, tief ausgeschnittene Tops und hautenge Röcke, manche sogar mit einem Schlitz bis zur Hüfte – alles Outfits, die sie noch vor zwei Wochen wie die Pest gemieden hätte.
Das war nicht immer so gewesen. Einst hätte sie sich am Stil und der Schönheit der Modelle erfreut. Natürlich hatte sie nie etwas derart Aufreizendes besessen, aber sie war stolz auf ihren Körper gewesen und hatte sich so gekleidet, dass ihre Vorzüge zur Geltung kamen. Nachdem sie so viele Jahre in dem Glauben verbracht hatte, wertlos zu sein, hatte sie die erste Gelegenheit ergriffen, mehr aus sich zu machen. Sie hatte bewundert werden und sich schön fühlen wollen.
Und dann war sie Richard Manning begegnet …
Energisch verdrängte Joanna die Erinnerung an Richard. Er war Vergangenheit und hatte sie zum letzten Mal verletzt und gedemütigt. Es war Zeit, dass sie endlich wieder an sich dachte.
Als sie sich angezogen hatte, betrachtete sie sich im Spiegel. Die limonengrünen Seidenshorts waren zwar schmeichelhaft, aber sie war es einfach nicht gewöhnt, ihre Beine zur Schau zu stellen. Gleichviel, Constantine würde es gefallen, und nur das zählte.
Wo war eigentlich Constantine? Er hatte gesagt, er wolle sich das Frühstück wie am Vortag auf dem Balkon servieren lassen, doch als Joanna hinaustrat, war der Tisch noch nicht einmal gedeckt. Was war los? Demetrios hatte seinen Vater bestimmt nicht warten lassen, er war viel zu versessen darauf gewesen, mit ihm zu sprechen. Andererseits …
Sie kehrte ins Zimmer zurück und klopfte an die Verbindungstür.
Constantines Kammerdiener Philip öffnete ihr. “Kalimera, Kiria Manning”, begrüßte er sie. Er war Ende Fünfzig und schon seit über dreißig Jahren bei Constantine. Hager und ernst war er das genaue Gegenteil dessen, was Joanna sich unter einem souveränen Diener vorstellte. Kirie Kastro ist noch nicht auf, kiria”, fügte er in einem kaum verständlichen Englisch hinzu.
Stirnrunzelnd spähte sie an ihm vorbei ins Wohnzimmer. “Geht es ihm gut?”, fragte sie, ohne auf die abweisende Miene des Mannes zu achten. “Kann ich ihn sehen?”
“Ich glaube nicht …”
“Pios ineh, Philip? Wer ist denn dort?” Constantines Stimme klang matt.
Joanna ignorierte die Versuche des Dieners, ihr den Weg zu versperren, und betrat die Suite. “Ich bin es, Constantine”, rief sie, während sie den Raum durchquerte. “Darf ich hereinkommen?”
“Natürlich …”
Constantine hatte nicht die geringsten Hemmungen, sie in sein Schlafzimmer zu bitten. Warum auch? Schließlich waren sie angeblich ein Liebespaar.
Erschrocken blieb sie auf der Schwelle stehen. Constantine ruhte an einen Berg Kissen gelehnt im Bett. Sein Gesicht war so weiß wie das Laken, das ihn von der Brust bis zu den Füßen bedeckte.
“Komm näher”, flüsterte er. “Schau mich nicht so an, aghapitos. Noch sterbe ich nicht.”
Vorsichtig setzte Joanna sich auf die Bettkante und nahm seine Hand. “Wage es nicht”, warnte sie ihn betont heiter. “Hast du einen Arzt gerufen?”
“Was könnte der schon für mich tun? Mir wird bereits jetzt von dem Pillencocktail übel, den ich täglich schlucken muss – noch mehr Tabletten will ich nicht. Ich brauche lediglich ein paar Stunden Ruhe. Würdest du Demetri und Olivia ausrichten, dass ich heute etwas faul bin?”
Sie seufzte. “Solltest du es ihnen nicht besser selbst sagen?”
“Damit sie mich so sehen?” Er schüttelte den Kopf. “Ich kenne die beiden, Joanna. Demetri würde sofort Tsikas, den Inselarzt, herbeordern – und zwar völlig unnötigerweise. Ich möchte niemanden beunruhigen. Livvy hat mit den Vorbereitungen für Alex’ Hochzeit genug um die Ohren, und Demetri muss neben seiner Arbeit auch noch meine bewältigen. Lass ihn in dem Glauben, dass ich auf seine Erklärung warte, warum zwei
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