Theopolis - Heimat meines Herzens
ihr geschlafen hatte, weil er es nicht konnte. Der Mann, den sie für seinen Freund gehalten hatte, war in Wahrheit sein Liebhaber.
Wenn Richard doch nur aufrichtig zu ihr und seinen Eltern gewesen wäre! Homosexualität war schließlich nichts, dessen man sich schämen musste. Warum hatte er sich nicht zu seiner Veranlagung bekannt und stattdessen sie mit hineingezogen? Hatte es daran gelegen, dass sie, wie er behauptet hatte, so erwartungsvoll gewesen war? Oder hatte man sie einfach so unglaublich leicht täuschen können?
Ja, ich war voller Erwartungen und naiv, dachte sie bitter. Dafür hatte Tante Ruth gesorgt. Sie hatte ihre Nichte wie ein Dienstmädchen behandelt. Kein Wunder, dass Joanna darauf gebrannt hatte, ein besseres Leben zu führen.
Der Urlaub auf Sardinien war ihre erste Chance gewesen, sich wie eine echte – und zudem attraktive – Frau zu verhalten. Eine Frau, die im Stande war, einen weltgewandten Mann wie Richard zu fesseln. Die Begegnung mit ihm war wie ein Traum gewesen. Er war so charmant, so gut aussehend gewesen – und so nett, dass sie sich bereits bei der ersten Verabredung in ihn verliebt hatte.
Natürlich hatte sie bei ihm nicht nach Fehlern gesucht. Anfangs war sie maßlos dankbar gewesen, dass er sie nicht bedrängte. Sie hatte keinerlei Erfahrung mit Männern gehabt, abgesehen von den bewundernden Blicken der Jungen auf ihrer Schule. Die Vorstellung, zu heiraten, war ein gewaltiger Schritt für sie gewesen.
Richards Eltern waren ebenfalls reizend zu ihr gewesen. Die beiden hatten eigentlich schon jegliche Hoffnung auf Nachwuchs aufgegeben, als Richard sich ankündigte. Kein Wunder, dass sie ihn vergöttert hatten. Nichts war gut genug für ihn gewesen. Er hatte überhaupt nichts falsch machen können. Später hatte Joanna begriffen, dass seine Eltern zum Teil verantwortlich für das Desaster waren. Sie hatten zu viel von ihm verlangt. Wären sie jünger und toleranter gewesen, hätte er vielleicht den Mut gefunden, ihnen die Wahrheit zu sagen.
Möglicherweise hatten sie es vermutet, allerdings hatten sie Joanna gegenüber nie einen Verdacht geäußert. Stattdessen hatten sie sie die Hochzeit planen lassen und darauf bestanden, sämtliche Kosten zu übernehmen. Dies wäre das Mindeste, was sie für das Mädchen tun könnten, das Richard eine so gute Ehefrau sein würde, hatten sie ihnen erklärt.
Der Tag selbst war bemerkenswert glatt verlaufen. Richards Cousin war Trauzeuge gewesen, und erst sehr viel später hatte Joanna begriffen, warum er während der Zeremonie so geistesabwesend gewirkt hatte. Offenbar hatte er die Wahrheit gekannt und versucht, Richard zur Vernunft zu bringen. Aber nichts und niemand hatte Richard daran hindern können, seinen Eltern der Sohn zu sein, den sie sich so sehr wünschten.
Die erste Nacht ihrer Flitterwochen hatten sie in einem Hotel am Flughafen Gatwick verbracht. Ziel der Hochzeitsreise war Antigua – ein weiteres Geschenk seiner Eltern –, doch die Maschine startete erst am nächsten Morgen.
Demzufolge war es relativ früh gewesen, als sie zu Bett gingen. Joanna hatte ein weißes Spitzennegligé getragen, das sie extra für diese Gelegenheit gekauft hatte. Als sie aus dem Bad gekommen war und Richard offenbar fest schlafend vorgefunden hatte, war sie zutiefst enttäuscht zu ihm ins Bett gestiegen.
An Schlaf war allerdings nicht zu denken gewesen. Die Aufregungen des Tages sowie ihre eigenen unerfüllten Erwartungen hatten sie wach gehalten. Als Richard jedoch gegen halb zwölf vorsichtig aufgestanden war, um ins Bad zu gehen, hatte sie ihn angesprochen. Joanna hatte seine Hand ergriffen und feststellen müssen, dass er keineswegs erfreut darüber war.
Sie hatte seine gereizte Reaktion der Übermüdung zugeschrieben und sich an ihn geschmiegt, als er ins Bett zurückkam. Nach dem ersten Kuss würde er seine Zurückhaltung schon aufgeben, hatte sie geglaubt.
Aber Richard hatte sie nicht küssen wollen, sondern ihr unumwunden erklärt, dass er seine Ruhe wünsche. Er wäre kein besonders sinnlicher Mensch, hatte er hinzugefügt, als er ihre Beschämung bemerkte. Sie hätten noch genug Zeit, einander besser kennen zu lernen, sobald sie in der Karibik wären.
Das war nicht geschehen. Gewiss, Richard hatte mehrmals versucht, mit ihr zu schlafen, aber selbst die unerfahrene Joanna hatte gespürt, dass er einfach nicht an ihr interessiert war. Natürlich hatte er sich entschuldigt und die Hitze oder andere Unzulänglichkeiten dafür
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