Theopolis - Heimat meines Herzens
dachte.
“Du kannst sie nicht haben, Demetri”, hatte Athenee kühl erwidert. “Ich weiß, du hast sie vorhin küssen wollen, und ich habe dich dabei gestört.” Sie hatte spöttisch gelächelt. “Du solltest mir dankbar sein, oder willst du, dass dein Vater dich enterbt?”
“Ich habe keine Ahnung, was du meinst”, hatte er behauptet. Glücklicherweise hatte sie in der schwachen Beleuchtung seinen hochroten Kopf nicht sehen können. “Falls du mir damit zu verstehen geben willst, dass du hier bist, um mich über eine verpasste Gelegenheit hinwegzutrösten, muss ich dich enttäuschen.”
“Bist du sicher?”
“Oh ja. Ein netter Versuch, aber du verschwendest wirklich deine Zeit, Athenee.”
“Genau wie du, agapitos.” Sie hatte unbedingt das letzte Wort haben wollen. “Constantine würde dich umbringen, falls er es je herausfindet.”
Würde er das?
Demetri stellte sich jetzt erneut diese Frage und verwarf sie sogleich wieder. Da er nicht vorhatte, die Antwort herauszufinden, war es ohnehin gleichgültig. In einem Punkt hatte Athenee allerdings Recht. Er hatte Joanna küssen wollen und hätte es auch getan, wenn Athenee ihn nicht daran gehindert hätte. Der Wunsch, diesen süßen, verführerischen Mund noch einmal zu kosten, hatte ihn einfach überwältigt.
Frustriert warf er Jackett und Krawatte über einen Stuhl. Verdammt, was war nur los mit ihm? Hatte er so lange keine Frau mehr gehabt, dass er bereit war, alle Skrupel zu vergessen? Warum hatte er dann keines der mehr oder minder unverhohlenen Angebote beachtet, mit denen man ihn den ganzen Tag über verfolgt hatte? Er war nicht eitel, aber er merkte, wann man ihm nachstellte. Trotzdem hatte er alle Avancen ignoriert, einschließlich Athenees.
Stirnrunzelnd trat er hinaus auf den Balkon. Es war eine wunderbare Nacht. Mild und sinnlich.
Sinnlich …
Er unterdrückte ein Stöhnen. Dieser Ausdruck erinnerte ihn an die erste Begegnung mit Joanna. Er hatte nicht an sie denken wollen, aber ein einziges Wort genügte, um eine Flut von Bildern heraufzubeschwören. Sinnlich, so hatte sie das Klima auf Theopolis bezeichnet. Damals hatte er geglaubt, sie wolle ihn provozieren, doch inzwischen wusste er, dass sie trotz ihrer aufreizenden Garderobe und atemberaubenden Schönheit nicht kokett war. Im Gegenteil, mitunter hatte sie etwas beinahe Unschuldiges an sich. Als er sie am Tempel geküsst hatte, war ihre Reaktion von bezaubernder Spontaneität gewesen.
Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, überlegte er gereizt. Eine Frau musste schon ziemlich clever sein, um ihn hinters Licht zu führen, aber womöglich war sie so eine Frau. Wurde er von seinen eigenen Empfindungen für sie geblendet? Verbarg sich hinter ihrer vermeintlichen Ahnungslosigkeit ein weitaus komplizierterer Charakter, als er vermutete?
Demetri wusste es nicht. Er wusste überhaupt sehr wenig über sie. Sein Vater schien grenzenloses Vertrauen in sie zu setzen, aber was bedeutete das schon? Constantine war krank gewesen, schwer krank. Wie konnte er sicher sein, dass sie die Krankheit nicht benutzt hatte, um sich ihm zu nähern? Es war jedenfalls höchst verdächtig, dass eine schlichte Angestellte von “Bartholomew’s” Modellkleider besaß und sich der Freundschaft eines Mannes wie Constantine Kastro rühmen konnte.
Freundschaft!
Freundschaft trifft es nicht einmal annähernd, dachte Demetri bitter. Sie war nicht nur die Freundin seines Vaters, sondern seine Geliebte. Hatte Constantine überhaupt eine Ahnung, welches Risiko er einging, indem er sich mit einer Frau wie ihr einließ?
Wahrscheinlich nicht. Und jetzt nach der Trauung war es vielleicht an der Zeit, dass er, Demetri, alles über Mrs. Joanna Manning in Erfahrung brachte. Wo lebte sie? Hatte sie tatsächlich eine unglückliche Kindheit verlebt? Und wo war der geheimnisvolle Ehemann, der ihr das Leben angeblich so unerträglich gemacht hatte? Warum war die Ehe gescheitert? Ob Constantine es wusste? Wusste es überhaupt jemand? Oder lag ihre Vergangenheit, ähnlich wie ihre Gegenwart, in einem mysteriösen Nebel?
Demetri erwog, Spiro mit der Klärung zu betrauen. Sein Assistent war ein Computergenie und brauchte lediglich eine Adresse sowie eine Bankverbindung, um binnen weniger Stunden ein Dossier zusammenzustellen, das selbst Geheimdienstleute neidisch machen würde. Leider war dieses Vorgehen verboten.
Als Alternative bot sich ein Privatdetektiv an. Sollte Constantine jedoch je herausfinden, dass jemand Joanna
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