Theopolis - Heimat meines Herzens
Geheimnisse. Außer den Sandaletten, die sie achtlos abgestreift hatte, deutete nichts auf seine Bewohnerin hin. Die persönlichen Gegenstände verwahrte sie demnach im Schlafzimmer. Mit leichtem Unbehagen näherte er sich der Tür.
Im Schlafzimmer war es stockfinster. Er würde also notgedrungen das Licht einschalten müssen. Die Beleuchtung nebenan war zwar gefährlich gewesen, hatte die Suche jedoch wesentlich vereinfacht. Auf Zehenspitzen huschte er zum Bett und lauschte angestrengt auf Atemzüge – vergeblich. Erleichtert knipste er eine Lampe an.
Wie er erwartet hatte, war das Bett leer. Allerdings – und das war beunruhigend – waren die Laken zerwühlt, und auf dem Kissen zeichnete sich deutlich der Abdruck eines Kopfes ab.
Demetri stutzte. Sie musste ins Bett gegangen sein, bevor sein Vater nach ihr geschickt hatte. Der alte Mann hatte sich früh zurückgezogen. Vermutlich hatte er geschlafen, als sie nach oben gekommen war. Und dann? War er aufgewacht? Oder hatte sie Verlangen nach seiner Gesellschaft verspürt?
Diese Möglichkeit machte Demetri zu schaffen. Egal, wie oft er sich sagte, dass er sich über nichts, was sie tat, wundern solle, überraschte sie ihn immer wieder. So schmerzhaft die Erkenntnis war, er wünschte sich, sie wäre nicht das, was sie war. Aber was?
Einem Impuls folgend, drehte er sich um. Beim Betreten des Zimmers war ihm ihre Handtasche auf der Bank am Fußende des Bettes aufgefallen. Statt sie jedoch zu nehmen und zu öffnen, schaute er sich um – und entdeckte Joanna an der Tür.
Im Grunde musste er dankbar sein, dass sie nicht laut aufgeschrien hatte. Einen dunkel gekleideten Mann im Schlafzimmer anzutreffen, hätte die meisten anderen Frauen in Panik versetzt, nicht so Joanna. Wie lange mochte sie ihn schon beobachtet haben? Und warum um alles in der Welt brachte er kein Wort über die Lippen und konnte sie nur verlangend anschauen?
Sie war wunderschön. Seine Leidenschaft für sie war stärker als je zuvor. Sie trug ein seidenes Negligé über einem dazu passenden Nachthemd in einem matten Goldton, der für ihre zart gebräunte Haut wie geschaffen war. Das Haar fiel ihr offen über die Schultern. Sie war die Verkörperung seiner Träume – und seiner Albträume. Er begehrte sie, aber er konnte sie nicht haben. Sie gehörte nicht ihm, und dieses Wissen raubte ihm den Verstand.
“Demetri.” Ihre Stimme klang sanft und nicht im Mindesten überrascht. “Was tust du hier? Hat Constantine nach dir geschickt?”
Constantine?
Die Erwähnung seines Vaters brachte ihn wieder zur Vernunft. “Nein. Ich bin nicht seinetwegen hier, sondern weil ich dich sehen wollte. Wo warst du?”, fügte er nach kurzem Zögern hinzu.
“Ich war bei deinem Vater”, flüsterte sie. “Warum wolltest du mich sehen? Es ist mitten in der Nacht.”
“Ich weiß, wie spät es ist.” Warum war er mit der Wahrheit herausgeplatzt? Er hatte die Chance verpasst, sich halbwegs elegant aus der Affäre zu ziehen. “Wir haben vorhin unser Gespräch nicht beenden können.”
“Ich finde, du solltest jetzt gehen.”
“Nein.” Es mochte unklug sein, weiter in sie zu dringen, aber er brauchte Antworten. “Wir müssen reden.”
“Ohne von einer deiner zahlreichen Freundinnen unterbrochen zu werden?”, spottete Joanna. Sie gab die Tür frei. “Geh! Sonst fange ich an zu schreien, weil ein Eindringling in meinem Zimmer ist.”
“Das würdest du nicht tun.”
“So?”
“Nein.” Demetri atmete tief durch. “Ich glaube, dafür hast du zu viel Respekt vor meinem Vater.”
“Im Gegensatz zu dir”, konterte sie verärgert. “Sei vorsichtig, Demetri. Noch habe ich ihm nicht gesagt, was am Tempel vorgefallen ist, doch das heißt nicht, dass ich es ihm nie erzählen würde.”
“Joanna …”
Er ging auf sie zu, aber sie wich ins Wohnzimmer zurück. Beinahe wäre sie dabei über das Sofa gestolpert, das mitten im Raum stand. Im Lampenlicht schimmerte ihr Haar wie ein Heiligenschein, ihre Wangen waren leicht gerötet. Nie hatte sie schöner und begehrenswerter ausgesehen – und unberührbarer.
Dann öffnete sie die Lippen, und um Demetri war es geschehen. Später redete er sich ein, er habe Angst gehabt, sie würde ihre Drohung wahr machen und schreien, aber das war nicht die volle Wahrheit. Mit wenigen Schritten war er bei ihr und presste ihr die Hand auf den Mund.
Es war schwer zu entscheiden, wer von ihnen schockierter darüber war. Joanna schien vor Empörung und Fassungslosigkeit zu
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