Theres
niedere Tierarten.
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(Ausschneiden und einkleben: Ulrike auf der Entbindungsliege.)
DR. KAUTZKY : Keine Angst, Frau Meinhof. Es handelt sich nur um einen einfachen Muskelreflex, wie beim Orgasmus oder beim Stuhlgang. Die Natur hat es für uns so weise eingerichtet, dass dieDurchführung bestimmter organischer Prozesse am leichtesten ist, wenn man sich einfach entspannt.
HERR RÖHL (voller Sorge, die er zuvor gut versteckt gehalten hatte):
Sie wird doch wohl nach dem Eingriff wieder ganz sie selbst werden, Doktor Kautzky? Das müssen Sie garantieren …
Sie selbst werden? Wer ist sie dann diese ganze Zeit über gewesen? Oder hielt er ihren jetzigen Zustand, halb gelähmt vor Schmerz, wie sie war, und mit einem Blick, der sich nicht fokussieren ließ, für etwas Natürliches ?
DR. MARX : Die Atmosphäre, in der wir leben, lastet mit einem Gewicht von 20.000 Pfund auf jedem von uns; aber spüren Sie das?
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Kurzzeitiges Heilmittel gegen Depressionen. Darauf achten, dass man sich wie die Wale unter der Eisdecke ständig in Bewegung befindet. Ulrike: im Pädagogischen Institut der Freien Universität. Ulrike: mit Handkamera und Aufnahmegerät bei den Mädchen im Eichenhof. Ulrike an der Schreibmaschine, im Republikanischen Club (agitierend, als würde das, was sie sagt und tut, trotz allem etwas bedeuten ). Ulrike: mit Kindern und Kindermädchen unterwegs zum Spielplatz. Ulrike: in der Schlange an der Warenhauskasse, wie jede andere frustrierte Hausfrau über all die Fetische der Konsumkultur nachsinnend (diesmal über ein neues Spülmaschinenmittel: eine schürzenbehängte Frau holt blitzende Gläser aus der Spülmaschine und erhebt in seliger Dankbarkeit den Blick zu unserem Schöpfer im Himmel: SOMAT – bringt Glanz, der wie tausend Sterne funkelt ).
EINKAUFSLISTE
Brot, Butter, Marmelade
Nescafé (großes Glas)
Kölln-Flocken
Ravioli
Tomaten, Obst
Persil
Nutella ( für die Kinder!)
Zahnpasta
Reval (zwei Schachteln)
Ihr einziger Gedanke: Wenn ich nur der Zahlung einer Geldstrafe fürs Falschparken entgehe, werde auch ich zu dem hohen Konsumgott im Himmel beten.
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Nach dem viel erwähnten ROLLING-STONES -Konzert vor kurzem in Berlin haben sich mehrere aufgebrachte Mütter bei der Redaktion gemeldet. Einer der Briefe kam von GUDRUN ESCH , Charlottenburg, beunruhigte Mutter von HANNELORE , 17. Hannelore war zusammen mit einer Freundin auf dem Konzert und danach »hat sich ihr Verhalten vollkommen geändert«, schreibt Frau Esch. »Sie isst nicht mehr, liegt tagelang vollkommen antriebslos in ihrem Zimmer, um dann, anscheinend unmotiviert, von hektischer Aktivität ergriffen zu werden, wobei sie Musik in höchster Lautstärke hört und ihren Körper in spastischen Bewegungen schüttelt. Hinterher scheint sie sich in einem tranceähnlichem Zustand zu befinden, und es dauert Stunden, sie daraus zu wecken.« Frau Esch fragt, ob die Musik für diese Verhaltensstörung verantwortlich ist oder ob man die Erklärung auf einer tieferen Ebene zu suchen hat.
Ja, was sagt Doktor Prinzing?
Was unsere Zuhörerin hier schildert, ist eine nahezu klassische Beschreibung dessen, was in der Medizin hysterisches Verhalten genannt wird. Es kann sich lohnen, daran zu erinnern, dass das Wort »Hysterie« vom griechischen HYSTERA herstammt, was Gebärmutter bedeutet. Es ist mit anderen Worten ein Leiden, das beinahe ausschließlich Frauen trifft. Inder Antike glaubte man, die Hysterie rühre daher, dass die Gebärmutter aus ihrer Lage geraten war. Heute stellen wir die Diagnose anders:
Erotische Anmutung, ein stark ausgeprägter Geschlechtstrieb, der sich oft sehr schwer befriedigen lässt, deuten auf eine Überreizung der psychischen Natur hin.
So beschrieb ein bekannter Frauenarzt einen deutlichen Fall von Hysterie. Es soll darauf hingewiesen werden, dass das sexuelle Unbefriedigtsein häufig auf ein Objekt projiziert wird, das sich außerhalb der Kontrolle des Patienten befindet. Die Musik wirkt in dieser Beziehung stark suggestionsverstärkend. Wobei noch die Aufhebung sozialer und sexueller Normen hinzukommt, die die heutige sogenannte »emanzipierte« Gesellschaft prägt. Früher wurden kalte und warme Wasserkuren (abwechselnd) empfohlen, Einläufe, im schlimmsten Fall Behandlung mit elektrischen Stromstößen. Ich würde Frau Esch empfehlen, vorsichtiger zuwege zu gehen, gesunde, erbauliche Freizeitbeschäftigungen für ihre Tochter zu suchen, gern in Verbindung mit Musik, wenn nun mal ein solches Interesse
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