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Theres

Theres

Titel: Theres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
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besteht: denn Musik, wenn sie richtig gewählt wird, kann bei bestimmten schädlichen Emotionen auch dämpfend wirken. Die Verhaltensstörungen werden dann bald ein Ende haben.
    *
    (Hochzugehen, bedeutet »in Affekt zu geraten«)
    Ulrike, in ihrem Auto, denkt an Klaus, Affekt , denkt sie (das war der Ausdruck, mit dem er ihre Reaktion beschrieben hatte; nur weil er auf das böswillige Gerücht hereingefallen war, dass es den Kindern in ihrer Gesellschaft schlecht erginge, und darauf die Stirn hatte anzurufen und das Gerücht in Form einer Anklage gegen sie zu richten, und als sie bestritt, dass es sich so verhielt, sagte er: Es gibt keinen Grund, in Affekt zu geraten, Ulrike . Was glaubte er da, wer er ist, außer der Vater der Kinder? Irgendein moralischer Oberrichter?
    Ulrike denkt: Von ihm frei? Mag sein: Aber die Bindungen sind noch da. Und beides ist verflochten miteinander: die Kinder und konkret .Über die Kinder hat sie die Kontrolle; über konkret : er. Denkt weiter: Es muss eine Möglichkeit geben, diesen Zustand zu ändern. Denkt: konkret übernehmen . Nicht nur, weil es politisch motiviert ist, sondern auch, weil das, was sie ihre »Freiheit« nennt, sich sonst nur als die andere Seite einer tieferen Abhängigkeit erweist. Bereits jetzt ist die Telefonverbindung zwischen dem »vornehmen« Hamburg und dem »wilden« Berlin zu einer Schlinge geworden. Klaus hat auch die seltene Fähigkeit, in den unpassendsten Momenten anzurufen: wenn sie im Bett ist mit Homann, die Kinder in der Badewanne hat, das Haus voller Gäste: Es geht gerade nicht, Klaus; kann ich dich etwas später zurückrufen , und Klaus: Ich wollte mit dir nur über den Artikel diskutieren , und sie: Über welchen …? (während die Kinder, nackt und wild kreischend, »Tunnel spielen«, indem sie zwischen ihren Beinen hindurchrobben: Scheiße, macht, dass ihr ins Bett kommt ): Klaus, ich rufe dich morgen an. Sein Schweigen beim Auflegen: es sagt alles.
    *
    (Ich bin Journalist, ich schreib nur Mist)
    Ulrikes Versuch zu Gegenmaßnahmen:
    I . Obstruieren. Zwei Tage intensive Arbeit mit dem Verfassen eines Meta-Artikels. Eine Kolumne mit dem Titel »Kolumnismus«. Klaus auf Berlinbesuch. Ulrike: Ich habe hier einen Text für dich, ich bin neugierig, was du davon hältst.
    Wir wollen keine Heiligen, wir verlangen nur, dass Widerstand geleistet wird und die Unterwerfung unter die Gesetze des Marktes nicht als freier Journalismus ausgegeben wird und die Kunst, Termine zu halten, nicht mit der Kunst, die Wahrheit unter die Leute zu bringen, verwechselt wird, und Redaktionsdemokratie nicht Sand im Getriebe ist und Kolumnistenfreiheit als das erkannt wird, was sie ist: ein Prestige-, ein Profitfaktor, ein Leserbetrug, ein Selbstbetrug, Personenkult. Wie, wenn diese Zeitung sich tatsächlich einmal zur Diskussion stellte, der landauf, landab grassierendenKritik ihre Spalten öffnete, unredigiert und unängstlich. Man kann es nicht anders als Opportunismus nennen, wenn man die Verhältnisse, die man theoretisch zu bekämpfen vorgibt, praktisch nur reproduziert …
    Klaus reagiert darauf, indem er den Artikel druckt. ( Natürlich publizieren wir Ulrike Meinhofs Text über den Kolumnismus. Wo sollte sie ihn sonst veröffentlichen? )
    II . Agitieren. Im Republikanischen Club geht Ulrike heftig gegen ihr früheres Haus-Presseorgan vor (angeblicher Grund: Die Behauptung der Redaktionsleitung, dass die Berliner konkret »als Konzept gestorben« ist); Ulrike: Hier könnt ihr es schwarz auf weiß sehen: Das Profitinteresse rangiert vor dem, was das wichtigste publizistische Ziel sein sollte: die Information; und das in Zeiten wie diesen: Wo der Kampf täglich auf den Straßen ausgefochten wird, und darüber berichten kann als Einziges eine »gedungene« Presse, ja, ihr wisst schon, wie man das Wort buchstabiert: SPRINGER …
    Klaus reagiert darauf, indem er seinen Stab »umarrangiert«. Ulrikes alter Freund und Vertrauter, der Lyriker Peter Rühmkorf, nimmt nach drei Jahren erneut seinen Platz in der Redaktionsleitung ein. Und damit war diese Freundschaft beendet …
    III . Intrigieren. Studenten werden aufgefordert, nach Hamburg zu fahren, um zu versuchen, wichtige Funktionen zu übernehmen. Im Bedarfsfall: Verwandelt jede Redaktionssitzung in ein »Sit-in« und tretet dort für das Recht aller zur Mitbestimmung über die publizistische Ausrichtung der Zeitung ein.
    Klaus reagiert, indem er die Studenten wieder auf die Straße setzt. Begründung: Was habe ich für

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