Theres
als psychologisches Phänomen auf etwas sehr Reales und Wichtiges hindeutet. Ob es nun einen echten freien Willen gibt oder nicht, nahezu alle Menschen verhalten sich so, als ob es ihn gäbe, und bewerten einander aufgrund ihrer Fähigkeiten, Entscheidungen zu treffen, die sie für echte moralische Entscheidungen halten.
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Vom Problem des freien Willens handelt alles. Nicht einmal Herold kann etwas anderes glauben, der Antrieb (notiert Herold am Rand seines Manuskripts), die Welt allein durch die Kraft seines Willens zu verändern . Zu diesem Zeitpunkt beherrscht er seine Meinhof mehr als gut:
Für Gramsci ist Wille die conditio sine qua non : der starke Wille als Motor des revolutionären Prozesses, in dem Subjektivität Praxis wird.
Offenbar tut Baader, in seiner Eigenschaft als »stärkere Persönlichkeit«, Dienst als »Motor«. Der von ihm initiierte Prozess wirkt stark sinnstiftend /erhöhend auf die Gruppe ( »Subjektivität wird Praxis« ). Damit verbunden: eine Erlösungseschatologie, das besondere Gefühl, auserwählt zu sein, das einem gestattet, sich als »über alle anderen erhoben« zu sehen. Das Gefühl ist in keiner Weise einzigartig; doch damit es Nahrung findet, ist ein »Motivationsgrund« erforderlich, undder muss nicht an einen speziellen Ort oder eine Epoche gebunden sein. Bereits 1942 sandte Hans Scholl an seine Schwester Sophie (eine von Meinhofs Vorbildern), den Entwurf eines politischen Manifestes, der in vielem dem gleicht, was die Gruppe jetzt vorbringt:
Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique »regieren« zu lassen. Ist es nicht so, dass sich jeder ehrliche Deutsche heute seiner Regierung schämt, und wer von uns ahnt das Ausmaß der Schmach, die über uns und unsere Kinder kommen wird, wenn einst der Schleier von unseren Augen gefallen ist und die grauenvollsten und jegliches Maß unendlich überschreitenden Verbrechen ans Tageslicht treten? Wenn das deutsche Volk schon so in seinem tiefsten Wesen korrumpiert und zerfallen ist, dass es, ohne eine Hand zu regen, im leichtsinnigen Vertrauen auf eine fragwürdige Gesetzmäßigkeit der Geschichte, das Höchste, das ein Mensch besitzt und das ihn über jede andere Kreatur erhöht, nämlich den freien Willen, preisgibt, die Freiheit des Menschen preisgibt, selbst mit einzugreifen in das Rad der Geschichte und es seiner vernünftigen Entscheidung unterzuordnen, wenn die Deutschen, so jeder Individualität bar, schon so sehr zur geistlosen und feigen Masse geworden sind, dann, ja, dann verdienen sie den Untergang.
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(Freier Fall)
Alle Menschen träumen, dass sie, zumindest beim Fallen, frei fallen. Ist es denn möglich, aus allen begrifflichen Strukturen herauszufallen und der Welt zugleich einen Sinn zuzuschreiben? Das Fallseil hat immer eine bestimmte Länge. Wenn du den Endpunkt des Seils erreichst, wird der Fall gebremst. Einmal bist du gefallen. Als du die Augen aufschlugst, waren die Bilder auf deiner Netzhaut dieselben wie jene, die dir in deinen Traumvisionen begegnet sind. Du fielst ein zweites Mal, und die Traumvisionen wurden wirklich. Wird es dir gelingen, diese Trapeznummer auch ein drittes Mal zu wiederholen und dann zu sehen, wie die Traumvisionen verschwinden? Das Fallseil strafft sich. Früher oder später versuchen sich die Zusammenhänge stets zu finden.
Wüsten
Programm zur Ausbildung lokaler Widerstandszellen. Die Palästinenser sind dem diskreten Ansuchen der Gruppe zuvorgekommen und haben ihnen Hindernisse in den Weg gestellt. Die Hindernisse bestehen aus:
(1) einem brennenden Autowrack , das zu überspringen ist (mit vollem Gepäck auf dem Rücken und einer Kalaschnikow über der Schulter)
(2) einer zehn Meter hohen Bretterwand , die man lediglich mit Hilfe eines Seilzugs zu übersteigen hat (auch hier mit vollem Gepäck auf dem Rücken)
(3) einem Betonbunker, umzäunt von Stacheldraht , unter dem man hindurchzukriechen hat (durch einen engen Sandgang, in dem obengenanntes Gepäck bereits beim Locheinstieg hängen bleibt)
Ulrike hat Schürfwunden an Armen und Knien, leidet in der Hitze schwer unter Durst und hat eine Phobie gegen Skorpione entwickelt: die einzige tatsächlich häufige Art in diesem Tierpark. (An den Abenden organisiert Bäcker einen Wettkampf im Steinwurf auf selbige Tiere. Der Skorpion steht reglos auf dem nackten Betonboden; bis ein Stein trifft – woraufhin er rasselnd losrast, den
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