Theres
ruhiges, vertrauenerweckendes Lächeln in die Kameras. Zum Einkleben ins Totenbuch (unter der Rubrik: »Händedruckbilder«): bisher Brandt / Kiesinger , jetzt auch: Brandt / Stoph .
Denkt: Intakte Unterdrückerhegemonie , lediglich entstellt zu falscher Eintracht.
Das Flugzeug beschleunigt, hebt ab, schwingt sich hinauf. Sie schließt die Augen.
*
(Sondersendung)
RÖHL ÜBER DIE EHE MIT MEINHOF
Was ihr gefehlt hat, war nicht Selbstvertrauen, sondern eine grundlegende Geborgenheit hier im Leben …
Wie sehr war sie, Ihrer Meinung nach, in die Befreiung von Andreas Baader verstrickt?
Das ist für mich schwer zu sagen. Sie kann sehr wohl diejenige gewesen sein, die diese ganze Aktion geplant hat. Aber ich schließe auch nicht aus, dass sie von Anfang an von den anderen als eine Art Geisel gehalten wurde; in dem Fall fürchte ich nun das Schlimmste …
Sie denken an die Kinder?
Ich denke an die Zukunft; ihre und die der Kinder.
Inseln
Nach dem Krieg liegt Jena in der sowjetischen Zone, und der Zustand beginnt, der im Volksmund unter der Bezeichnung Besatzung läuft. Bevor das efeuüberwachsene Haus in der Beethovenstraße neue, in den Augen des Staates linientreuere Eigentümer erhält, wird eine gründliche Durchsicht der Turmzimmer vorgenommen, in denen Doktor Werner Meinhof Teile seiner Sammlungen verwahrt hatte. Die aufgefundenen Dinge werden sorgfältig notiert. Neben diversen Büchern und Zeitschriften (ein Feldhandbuch für Ornithologen und ein Heft der Deutschen dermatologischen Zeitschrift ) enthält das Verzeichnis unter anderem folgende Gegenstände:
* die sepiafarbene Fotografie eines NAVAJO-INDIANERS , der »mit niedriger Stirn« und »allgemein apathisch« dasitzt, seinen Köcher im Schoß und den Blick versunken in nicht greifbarem Nachsinnen (alternativ: »verloren in mythischer Ferne«)
* ein RATTENSCHÄDEL
* ein Tafelwerk mit der Bezeichnung SCHMETTERLINGE DER WELT (nummeriert II und VII )
* diverse MUSCHELN und VOGELEIER
* insgesamt 172 HAIZÄHNE , in einer alten Zigarrenkiste mit der Aufschrift RITMEESTER
Aus irgendeinem Grund, der kein Zufall sein muss, gerät dieses Verzeichnis in die Hände des BKA -Chefs Horst Herold . Schon als er im Spätherbst 1971 die Nachfolge von Alfred Klaus als höchster Polizeichef Westdeutschlands antritt, womit er auch die Verantwortung für die sogenannte Abteilung »T« übernimmt, die für die »Terrorismusbekämpfung« zuständig ist, bemüht sich Herold um »größtmögliche Effektivität bei der Nachforschung«. ( Kein Stein darf auf dem anderenbleiben , ist ein Satz, der ihm in dieser Zeit oft zugeschrieben wird.) Die moderne Datentechnik steht ihm zur Verfügung, und mit der Unerschrockenheit, die seine gesamte bemerkenswerte Polizeikarriere kennzeichnet, nimmt er sie sofort zu Hilfe. Alle Informationen, die zu den Aktivitäten der Baader-Meinhof-Bande hereinströmen, sollen geordnet und systematisiert werden. Acht Jahre nach der Befreiung Andreas Baaders besteht Herolds Archiv (oder »Herolds Kisten« , wie die Respektloseren im BKA es nennen) aus 37 Registern bzw. Karteien mit 4,7 Millionen Namen und ungefähr 3.100 Organisationen. Außer kurzgefassten Personenbeschreibungen enthalten die Register auch Fotografien, Fingerabdrücke, Handschriftproben und am Ende auch spezielle Stimmproben (sogenannte Voiceprints ), mit deren Hilfe man die Identifizierung sichern und die Täter technisch an die Straftaten binden will.
Mit gutem Grund kann man Herold einen Sammler nennen. Er ist es im Rousseauschen Sinne, das heißt, er ist » unglücklicher über die Lücken in seiner Sammlung, als dass er zufrieden wäre mit den Dingen, die er besitzt «.
In dieser letztgenannten Eigenschaft interessiert er sich auch für Meinhofs Liste , wie er das etwas spät aufgetauchte Nachlassverzeichnis aus Jena nennen sollte. Doch begnügt er sich nicht allein damit. Er nimmt sich auch den in Form einer internen Mitteilung erfolgten Bericht vor, der seinem Vorgänger im Dienst zugestellt worden war und der eine erste Beschreibung der Gegenstände bot, die die Polizei vorfand, als sie sich nach Meinhofs Flucht Zugang zu der Wohnung in der Kufsteiner Straße verschaffte. Der Bericht enthält eine Reihe technischer Details, aber auch anderes von Interesse:
Zwei Beobachtungen drängen sich sofort auf. Einerseits, dass die Wohnung in aller Eile verlassen worden ist. Andererseits, dass hier seit einiger Zeit mehr Personen beherbergt wurden, als gemeldet waren, d. h.
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