Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser
in seiner Art vollkommen wäre. Die ersten bedeutenden Novellen entstehen 1895/96, darunter
Der Wille zum Glück
, erschienen August/September 1896 im
Simplicissimus
, und
Der kleine Herr Friedemann
, erschienen im Mai 1897 in der
Neuen deutschen Rundschau
. Am 29. Mai 1897 schlägt Samuel Fischer, damals der führende Verleger der jungen Moderne, Thomas Mann vor, ein größeres Prosawerk zu schreiben, vielleicht sogar einen nicht allzu langen Roman. Aber erst einmal entstehen weitere Novellen und erscheinen im März 1898 bei S. Fischer als Sammlung unter dem Titel
Der kleine Herr Friedemann
. Das ist Thomas Manns erstes Buch, und er ist sehr stolz darauf, «sich» in römischen Buchhandlungen liegen zu sehen. Denn er lebte schon seit Oktober 1896 wieder in Italien, zuerst in Venedig, dann seit Ende November in Rom, wo sich auch sein Bruder aufhielt. Den Sommer 1897 verbringen die beiden noch einmal in Palestrina, wo die ersten Anfänge des Romans
Buddenbrooks
entstehen, den Winter 1897/98 wieder in Rom. Seit Ende April 1898 in München zurück, wechselt Thomas Mann mehrfach die Bleibe, ohne das Schwabinger Künstlermilieu zu verlassen, wird im November 1898 für hundert Mark im Monat als Redakteur bei der berühmten Satirezeitschrift
Simplicissimus
angestellt, für etwa ein Jahr, und schreibt fleißig am Roman weiter. Am 13. August 1900 schickte er das fertige Manuskript an den Verlag, doch Samuel Fischer zögerte erstmonatelang, verlangte dann eine Kürzung um die Hälfte, ließ sich jedoch schließlich überzeugen und brachte den Roman Ende Oktober 1901 in zwei Bänden heraus, die zunächst nur einen leidlichen Erfolg hatten. Erst die einbändige Ausgabe von 1903 brachte Schwung in den Verkauf. 1919 stand
Buddenbrooks
im 100. Tausend.
In den September 1899 fiel die Dänemarkreise, die in die Erzählung
Tonio Kröger
einging, während der er auch seine Vaterstadt das erste Mal wieder berührte und die fremdartigen Erfahrungen machte, die er dann fiktional stilisiert beschrieb. Ende 1899 beginnt die Beziehung zu Paul Ehrenberg – die wichtigste unter den homoerotisch getönten Freundschaften und Verfallenheiten, die sein Leben durchziehen. Zusammen wird Musik gemacht (Thomas Mann spielt die Violine), Theater gespielt sowie besucht (vieles von Richard Wagner). Weitere Novellen entstehen. Im Juni 1900 wird Thomas Mann von der Musterungsbehörde als tauglich für alle Waffengattungen befunden. Von Oktober bis Dezember 1900 ist er Soldat, verbringt aber die meiste Zeit im Lazarett und wird schließlich als untauglich entlassen – wobei befreundete Ärzte ein bißchen nachhelfen.
1901–1905: Schriftstellerischer Erfolg und bürgerliche Etablierung
Thomas Manns Verlagsvertrag mit Samuel Fischer vom April 1901 sieht ein Autorenhonorar von 20 % vom Ladenpreis vor. Das ist für heutige Verhältnisse ungewöhnlich günstig. Ab 1903 kommt deshalb meßbar Geld in die Kasse. Bis Ende 1905 waren von
Buddenbrooks
32.000 Exemplare zum Preis von je fünf Mark verkauft und damit eine Summe verdient, deren Kaufkraft heute etwa 160.000 Euro entspräche. Im März 1903 erscheint das dritte Buch:
Tristan.Sechs Novellen
, eine davon
Tonio Kröger
. Eine andere Geschichte dieses Bandes,
Gladius Dei
(«Das Schwert Gottes»), mit dem viel zitierten, viel bemühten Anfang «München leuchtete», trägt die Widmung «To M. S. in remembrance of our days in Florence.» «M. S.» ist Mary Smith, eine junge Engländerin, mit der sich im Mai 1901 in Florenz ein zärtliches Verhältnis anbahnte, von dessen ehelicher Befestigung kurzzeitig die Rede war. Aber da war ja gleichzeitig die Liebe zu Paul Ehrenberg, die ihre Höhephasen in den Wintern 1900/01 und 1901/02 hatte. Schon immer hatte er sich auch in Mädchen verlieben können, wenn auch mit geringerer Gefühlstiefe. Die Entscheidung zwischen Ausleben der Homosexualität und Ehe fiel endgültig in jenen Jahren und war vollzogen, als er im Sommer 1903 Katja Pringsheim aus der Ferne zu beobachten begann, ihr im Februar 1904 bei einem Hausball persönlich näher kam, sich mit ihr nach zäher Werbung im Oktober 1904 verlobte und sie im Februar 1905 heiratete. Damit war er auch gesellschaftlich etabliert, denn Vater Prings heim war nicht nur königlicher Universitätsprofessor, sondern auch sehr reich.
Die Jahre vorher bringen noch etliche Sommerreisen, oft mit Sanatoriumsaufenthalten, 1901 nach Florenz (wo das Drama
Fiorenza
konzipiert wird), nach Riva und nach Mitterbad
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