Thondras Kinder - Am Ende der Zeit
Rudrinn zwei der Sieben sind«, erklärte Bali’an unbeschwert. »Deshalb durften sie auch bis zu unserem Schloss vordringen.«
»Du wusstest es?«, fragte Nelja überrascht.
»Ich habe es von Thalien gehört. Mein Vater hat schon immer
mit mir geschimpft, weil ich mich für Menschen interessiere.«
Leise lachend sah die junge Zauberin zu dem Elfen hinüber. Sie mochte Bali’an. Er war so lustig, unbeschwert und geradeheraus wie ein kleines Kind – sehr ungewöhnlich für einen Elf.
Dann ritten sie weiter durch die eigenartige Stille des Waldes. Leichter Nebel lag über den sanften Hügeln und Lichtungen.
»Es ist viel zu kalt für Sommer«, murmelte Brogan und rieb die kalten Hände aneinander.
Plötzlich, wie aus dem Nichts, tauchte auf einem Hügel ein gigantisches schneeweißes Schloss auf. Alle waren verblüfft. Sie glaubten, niemals etwas Schöneres gesehen zu haben. Zahlreiche Türme und Erker waren zu sehen, die sich an uralte Bäume schmiegten. An der rechten Seite des Schlosses stürzte ein Wasserfall in die Tiefe, überall blühten Blumen, auch wenn sie bei dieser kalten Witterung ein wenig an Pracht eingebüßt hatten.
»So schön hatte ich es nicht in Erinnerung«, flüsterte Rijana, und auch Rudrinn schüttelte den Kopf.
»Es erinnert mich ein wenig an Greedeons Schloss«, meinte Tovion mit gerunzelter Stirn. »Allerdings wirkt seines nur protzig, das hier, das ist unglaublich.«
»Ein König, der lange vor Greedeon geherrscht hat, hat das Schloss von Balmacann nach Tirman’ocs Vorbild gebaut«, erklang plötzlich eine mächtige Stimme, und alle fuhren herum. Aus dem Wald trat Thalien, der König vom Mondfluss, der Herr der Elfen.
Alle, die ihn noch nicht gesehen hatten, erstarrten vor der uralten Weisheit, die der Elf ausstrahlte. Auf seinem von weißblonden langen Haaren umrahmten Gesicht zeichnete sich ein gütiges Lächeln ab. Das Faszinierendste waren jedoch seine Augen. Die schienen jedem Einzelnen bis in die Seele blicken
zu können, waren jedoch so gütig und von uraltem Wissen erfüllt, dass man sich seltsam getröstet fühlte.
»Seid willkommen in Tirman’oc, dem Überbleibsel unseres einst riesigen Elfenreiches!« Thalien bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, ihm den Weg hinauf zum Schloss zu folgen.
»Ich fand ja Elli’vin, Bali’an und Tja’ris schon bezaubernd«, flüsterte Saliah Rudrinn zu. »Aber dieser Thalien, der ist …«
»Unfassbar«, vervollständigte Rudrinn den Satz, dann zwickte er sie in die Nase. »Obwohl ich sehr dagegen bin, wenn du einen anderen Mann interessant findest.«
Saliah lachte leise und konnte den Blick gar nicht von dem prächtigen Elfenschloss lösen. Verzaubert trat sie durch ein hohes Tor, welches mit elfischen Runen verziert war und sich auf eine Handbewegung von Thalien hin lautlos öffnete. Der Hof war wunderschön bewachsen, Efeu und Rosenranken schmiegten sich an die uralten Mauern. In der Mitte sprudelte ein Brunnen. Überall blühte es. Die überdachten Gänge rund um das Schloss waren kunstvoll verziert, und Vögel flogen zwitschernd herum. Es war so, als hätten die Elfen ihr Reich niemals verlassen. Beinahe glaubten sie, Elfen in den sich weit nach Norden erstreckenden Gärten wandeln zu sehen.
Ehrfürchtig und schweigend betraten die Freunde das Schloss. Auch in den Räumen wirkte alles hell und luftig. Die wunderschön bemalten Wände zeigten kunstvoll gemalte Landschaften, Drachen und Elfen. Rijana blieb beeindruckt vor einem Bild mit einem grünen Drachen stehen.
»Vor langer, langer Zeit sind die Drachen noch frei über die Berge geflogen«, erzählte Thalien und legte Rijana eine Hand auf die Schulter.
»Warum sind die Drachen ausgestorben?«, fragte sie und fuhr mit den Fingern über das Gemälde.
Thalien seufzte. »Sie lebten in Ursann, aber als Kââr sich dort niederließ, rotteten er und seine Verbündeten die Drachen nach und nach aus.«
»Das ist traurig.«
»Vielleicht werden eines Tages wieder Drachen über die Länder fliegen.« Mit seinem melancholischen, gütigen Lächeln winkte Thalien den Sieben mitzukommen.
Man hätte wohl in diesem ganzen Schloss viele Jahre verbringen können und hätte noch nicht alles gesehen. Jeder einzelne Pfeiler, jede Fliese war so kunstvoll gearbeitet, dass es einem den Atem verschlug. Dann traten sie in eine riesige Halle. Auch hier rankten Efeublätter über die Säulen, und an den Wänden sah man die Zeichnungen von gewaltigen Schlachten.
»Dies sind die wichtigsten
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