Thondras Kinder - Am Ende der Zeit
folgte Falkann aus dem Raum. Wahllos schlug er einen Weg durch das Schloss ein und führte sie auf einen der hohen Türme. Ein kalter Wind wehte hier oben, aber der grandiose Ausblick auf Balmacann entschädigte sie dafür. Westlich und südlich von Tirman’oc erstreckte sich das weite, liebliche Land bis zum Meer. Im Norden konnte man von hier aus sogar das Donnergebirge erkennen und im Osten die endlos erscheinenden Wälder des Elfenreichs.
»Nach unserer ersten Schlacht wurde ich König von Balmacann«, begann Falkann plötzlich mit einer merkwürdig entrückten Stimme und blickte in die Ferne. »Und später, da war ich viele Male der Verräter, der Scurr zum Sieg verholfen hat.«
»Nicht, hör auf, du bist diesmal kein Verräter, also quäl dich nicht.«
Falkann antwortete nicht darauf und blickte weiter nach Norden.
»Du und Ariac, ihr wart, glaube ich zumindest, in all euren Leben ein Paar«, fuhr er heiser fort.
Kurz schloss Rijana die Augen und schluckte die aufsteigenden Tränen herunter. Auch sie hatte es gesehen, die Erinnerung war wie ein Dolch gewesen, der sich in ihre Brust gebohrt hatte.
»Aber diesmal habe ich dich geheiratet, und dazu stehe ich.«
Er schüttelte den Kopf und drehte sich plötzlich ruckartig um. »Es war falsch, und das weißt du. Rijana, ich gebe dich frei. Geh zu ihm, ihr gehört zusammen.«
Wie vom Blitz getroffen zuckte Rijana zurück. »Was? Du kannst doch nicht … Falkann, was soll das? Du musst nicht eifersüchtig sein. Ich bin dir treu, und ich habe dich wirklich gerne, das musst du mir glauben.«
»Das glaube ich dir, und du würdest mich sicherlich auch nicht betrügen, dazu hast du zu viel Ehre in dir. Aber du wärst dein Leben lang unglücklich.«
Rijana schüttelte den Kopf und wollte mit aller Entschiedenheit etwas entgegnen. Doch Falkann legte ihr einen Finger auf die Lippen.
»Ich habe gedacht, ich könnte damit leben, dass du ihn mehr liebst als mich. Aber ich kann es nicht. Ich habe erkannt, dass ihr beiden zusammengehört.«
Mittlerweile liefen Rijana Tränen über die Wangen. Sie umarmte Falkann und stammelte: »Aber du kannst doch nicht … ich will doch nicht …« Sie blickte zu ihm auf. »Ich möchte nicht, dass du traurig bist. Wenn wir Scurr besiegt haben, wird Ariac sicher fortgehen, und dann …«
Er schüttelte den Kopf und wischte ihr die Tränen aus dem
Gesicht. »Das würde nichts ändern, oder würdest du ihn deswegen vergessen?«
Zunächst wollte Rijana versichern, dass sie Ariac vergessen würde, aber dann schüttelte sie betreten den Kopf. Sie wollte Falkann nicht anlügen.
»Ich möchte, dass du glücklich bist, aber das kannst du nur mit ihm. Also geh zu ihm«, sagte Falkann entschieden, auch wenn es ihn dabei fast zerriss.
»Wir können doch nicht einfach unsere Ehe auflösen.«
»Weißt du, im Grunde genommen hätte ich dich wohl gar nicht heiraten dürfen, denn du bist eine Arrowann geworden. Vor den Augen des Steppenvolkes hätte unsere Ehe ohnehin keinen Bestand.«
»Aber ich …« Sie wollte ihm widersprechen, fand aber nicht die richtigen Worte.
Falkann hatte Tränen in den Augen, als er sagte: »Und jetzt geh zu ihm und werde verdammt noch mal glücklich.«
Noch einmal umarmte Rijana ihn fest. »Du bist der beste Mensch, den ich kenne.« Dann ging sie die vielen Stufen hinunter, und es kam ihr so vor, als würde sie sich mit jeder Stufe mehr von Falkann lösen und sich immer mehr auf ihre Zeit mit Ariac freuen. Zwar war sie traurig, weil sie mit Falkann fühlte, aber andererseits war sie unheimlich erleichtert.
Falkann blickte nach Norden, wo sich dunkle Sturmwolken zusammenbrauten. Tief in seinem Herzen wusste er, dass er endlich, seit langer Zeit, einmal das Richtige getan hatte.
KAPITEL 11
Thaliens Vision
I n der Zwischenzeit hatte Thalien Ariac gebeten, noch einmal mit ihm zur Quelle zu kommen, wo er lange und eindringlich auf den jungen Steppenkrieger eingeredet hatte.
»Du hast viel Schlimmes erlebt, Ariac. Trotzdem hast du deine Ehre und deine Menschlichkeit bewahrt.«
»Ich weiß nicht«, murmelte Ariac. »Ich habe furchtbare Dinge getan.« Er dachte daran, wie er damals, als er Scurr geglaubt hatte, kaltblütig Krieger aus Camasann getötet hatte.
»Vielleicht.« Der alte Elf legte ihm seine Hand auf den Arm. »Doch nun stehst du auf der richtigen Seite. Dein Hass und der Gedanke an Rache gegen Scurr und Worran haben dich sehr weit und oft über die Grenzen deiner Kräfte gebracht, aber nun musst du
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