Thondras Kinder - Am Ende der Zeit
zu.
Den ganzen Tag führte Elli’vin sie durch dieses magische Reich. Als es hell wurde, bewunderten sie die Schönheit des verwunschenen Hügels, der mitten im Reich der Menschen
stand. Die letzte Erinnerung daran, dass ganz Balmacann einst den Elfen gehört hatte. Sprudelnde Wasserfälle ergossen sich aus Felsen, kleine, mit Seerosen bedeckte Seen waren zwischen den Bäumen zu erkennen, und die buntesten Blumen blühten auf sonnenbeschienenen Lichtungen.
Diesmal ritten sie nicht zum Schloss. Auf einer großen Lichtung, zwischen gewaltigen Monolithen, wartete Thalien, der König vom Mondfluss, auf sie.
Wie alle Elfen strahlte auch er eine unglaubliche Kraft aus, die durch die Präsenz der alten Steine nur noch verstärkt wurde. Seine weisen und melancholischen Augen fielen auf die Neuankömmlinge. Als Elli’vin ihn umarmte, lächelte er traurig.
»Das Ende dieses Zeitalters naht. Trotzdem bin ich froh, euch zu sehen.«
Unwillkürlich fielen alle vor dem Elfenkönig auf die Knie. Seine Stimme war ihnen durch Mark und Bein gegangen. Sie war so alt wie die Zeit selbst, weise wie wohl sonst kein Wesen und gleichzeitig so gütig, dass man sich seltsam getröstet fühlte.
»Erhebt euch, ich bin nicht euer Anführer«, verlangte der Elf und blickte jedem Einzelnen in die Augen. »Ihr seid hier, weil ihr für eure Überzeugung kämpft und für die, die ihr liebt.«
Er trat zu Rijana, Ariac, Broderick, Falkann und Tovion.
»Dieses Mal sind die Sieben vereint, dieses Mal habt ihr euer Schicksal selbst in die Hand genommen. Verlasst euch aufeinander, dann habt ihr Aussicht auf Sieg.«
»Geht es Saliah und Rudrinn gut?«, fragte Tovion beunruhigt.
Der Elf drehte sein Gesicht in den sanften Wind und schien eine Weile wie in Trance zu sein. Dann lächelte er.
»Sie sind auf dem Weg.«
Ein starker Westwind ließ Saliahs langen blonden Haare fliegen, als sie neben Rudrinn am Steuer des Segelschiffes stand. Gerade segelten sie nördlich der Insel Silversgaard in Richtung Küste. Hinter ihnen brach eine Flotte von zwanzig gestohlenen Kriegsschiffen und dreiundfünfzig Piratenschiffen durch die Brandung.
Im Hinblick auf die mehr als dreihundert Kriegsschiffe, die König Scurr besaß, war es natürlich lächerlich, aber Rudrinn kannte die Unerschrockenheit der Piraten, und er vertraute ihnen.
Vor einigen Nächten hatte es eine blutige Schlacht auf Silversgaard gegeben, doch nun war die Insel in der Hand der Piraten. Die Sklaven waren befreit und kämpften ebenfalls auf ihrer Seite.
Heute würde es zur ersten Seeschlacht kommen. In der Nacht war ihm Thalien erschienen, und Rudrinn wusste, dass es nicht nur ein Traum gewesen war. Der Elfenkönig hatte gesagt, dass die Piraten sich nun zeigen sollen und dass Rudrinn mit Saliah nach Tirman’oc kommen müsse.
»Vater, es ist so weit!«, schrie Rudrinn in den Wind und zwinkerte Saliah aufmunternd zu.
Mit langen Seemannsschritten kam Kapitän Norwinn auf seinen Sohn zu. Der alte Pirat umarmte ihn fest. Bei Saliah war er ein wenig vorsichtiger.
»Möge Rammatoch, der Gott des Meeres, euch schützen.«
»Euch ebenfalls«, erwiderte Rudrinn, dann nahm er Saliah an die Hand und sprang auf ein kleineres, älteres Piratenschiff.
»Rudrinn!«, kreischte Fizzgan. »Wenn Rammatoch dich holen kommt, kümmere ich mich um dein Mädchen, hihi!« Auf seinem Gesicht zeigte sich ein zahnloses Grinsen.
»Dann habe ich ja noch einen Grund mehr zu überleben«, rief Rudrinn zurück und lachte übers ganze Gesicht. »Das kann ich Saliah nicht antun.«
»Rudrinn! Du bist der verflucht beste Hurensohn von
einem Piraten, den die Meere jemals gesehen haben!«, grölte Kapitän Norwinn, und die Piraten sämtlicher Schiffe stimmten in seinen Jubel ein und schrien Rudrinns Namen.
»Er bezeichnet seinen eigenen Sohn als Hurensohn«, stöhnte Saliah kopfschüttelnd. Sie als Adlige konnte sich noch immer nicht ganz an den rauen Piratenhumor gewöhnen.
Doch Rudrinn nahm sie in den Arm. »Das könnte daran liegen, dass meine Mutter tatsächlich eine Hure war!«
Saliah blickte schockiert hoch. Natürlich wusste sie mittlerweile, dass es bei den Piraten üblich war, dass der Sohn einer Hure an den Piraten gegeben wurde, den sie für den Vater hielt, doch wirklich gutheißen konnte sie dies nicht. Aber dann wurde sie schon abgelenkt, denn fünf Schiffe mit blutroten Segeln hielten direkt auf sie zu.
»Jetzt wird es spannend«, verkündete Rudrinn. Man konnte beinahe glauben, dass er sich darauf
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