Thondras Kinder - Am Ende der Zeit
zum Glück traf er unterwegs auf König Greedeon, der mit missmutigem Gesicht durch sein Schloss lief. Es machte ihm immer wieder Spaß, den Mann zu verhöhnen.
»König Greedeon!« Worran verbeugte sich übertrieben. »Wie fühlt man sich als Gast in seinem eigenen Schloss?«
Augenblicklich lief Greedeon rot an und zog seinen kostbaren blauen Mantel noch fester um sich.
»Ich rede nicht mit Euch … Abschaum.« Angewidert verzog er das Gesicht.
Worran war mit einem Sprung bei ihm und hielt ihm seinen Dolch an die Kehle. »Ihr habt keinen Wert mehr für meinen Herrn. Ein Wort von mir und Ihr könnt in Thondras Hallen einziehen.« Dann tat Worran so, als würde er stutzen. »Oh, wobei, der wird Euch auch nicht mehr wollen!« Er ließ den König los, und sein dreckiges Gelächter hallte in den Fluren wider.
König Greedeon wusste nicht mehr ein noch aus. Scurr hatte sein wahres Gesicht gezeigt, und Hawionn war auch keine Hilfe. Niemand wagte es, sich mit ihm gegen Scurr zu verbünden, weder Lord Regold noch Lord Geodorn oder einer der anderen Edelmänner von Balmacann. Alle hatten sie sich wie eine Fahne im Wind gedreht, als Scurr die Macht für sich beansprucht hatte.
Ich sollte verschwinden, dachte er. Nur wohin?
In der Nacht vor dem nächsten Halbmond redete Thalien lange mit allen Menschen, die sich in Tirman’oc versteckt hielten.
Er versuchte, ihnen Mut zu machen und ihnen Hoffnung zu geben, obwohl er selbst nicht wusste, ob es welche gab.
»Fünfhundert Elfen halten sich versteckt, die Zwerge sind unter der Erde bereit, und eure Leute halten sich an der Grenze des Landes der tausend Flüsse versteckt. Es ist nicht aussichtslos.«
»Aber Scurr ist in der Überzahl«, wandte Falkann ein, der an diesem Tag zu den Grenzen geritten war.
»Das ist er«, gab Thalien zu. »Aber warum kämpfen seine Leute?«
»Aus blindem Gehorsam«, antwortete Ariac mit einer Spur von Bitterkeit in der Stimme.
Thalien nickte weise. »Die Blutroten Schatten aus Gehorsam, die Orks aus Dummheit und Blutgier. Und die Krieger aus Camasann?«
Brogan blickte zu Boden, das schmerzte ihn am meisten. Erneut würde er gegen seine eigenen Schüler in die Schlacht ziehen müssen.
»Aus falsch verstandener Loyalität«, antwortete Broderick stirnrunzelnd. »Auch wir haben eine Zeit lang geglaubt, dass wir auf König Greedeon und auf Hawionn hören müssen, weil man es uns beinahe unser ganzes Leben lang beigebracht hat.«
»Aber ihr habt den richtigen Weg gefunden und mit euch eine ganze Menge anderer Menschen, Zwerge und Elfen«, Thalien lächelte sie väterlich an, »das sind nun diejenigen, auf die ihr euch verlassen könnt. Gemeinsam seid ihr stark.«
Nur zu gern wollten sie Thalien glauben, aber die Zweifel ließen sich nicht so leicht ausräumen.
Mitten in der Nacht wachte Rijana auf. Sie war in Ariacs Armen eingeschlafen, aber jetzt war er nicht mehr da, das Fehlen seiner Körperwärme hatte sie wohl geweckt. Sie richtete sich auf und sah, dass alle um sie herum schliefen. Leise ging
sie durch das Lager und fand Ariac schließlich bei den Monolithen. Er hatte sein Schwert in der Hand und blickte in den Himmel.
Als er sie hinter sich hörte, drehte er sich nicht um, sondern flüsterte kaum hörbar: »Es kommt nur auf mich an. Falls ich versage, ist die Menschheit verloren.« Dann blickte er sie an, und Rijana konnte die tiefe Verzweiflung in seinen Augen sehen. »Ich kann diese Last nicht tragen.«
Sie trat zu ihm und legte ihre Hände auf die seinen, die das magische Schwert hielten.
»Ich trage sie mit dir. Und Saliah, Rudrinn, Broderick, Falkann, Tovion und all unsere anderen Freunde. Du bist nicht allein.«
Ariac schloss seine Augen. »Aber ich muss Scurr töten, nur ich kann es.«
»Wenn es dir in diesem Leben nicht gelingt, dann im nächsten«, flüsterte Rijana, nahm seinen Kopf in ihre Hände und küsste ihn. »Und auch dann werde ich an deiner Seite sein.«
»Oh, Rijana …«, keuchte er und ließ sich von ihr in den Arm nehmen.
Thalien beobachtete die beiden aus der Ferne. Er hatte gewusst, dass Ariac hier sein würde, und hatte ihm Mut machen wollen. Doch dann erkannte er, dass Rijana dies wohl besser gelingen würde. Leise zog er sich in den Wald zurück.
Noch vor dem Morgengrauen brachen sie auf. Je weiter sie durch Tirman’oc ritten, umso mehr Elfen schlossen sich ihnen an. Wie aus dem Nichts erschienen hunderte hochgewachsene, anmutige Gestalten in schimmernden Rüstungen. Ihnen voran ritt
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