Thondras Kinder - Am Ende der Zeit
Gasthaus zu eröffnen. Wo, das wusste er noch nicht. Auch Leá und Falkann waren unentschlossen. Falkann war kein Steppenmann, er konnte sich so ein Leben einfach nicht vorstellen. Genauso unsicher waren Rudrinn und Saliah. Zu ihrer eigenen Verwunderung hätte Saliah gar kein Problem mehr damit gehabt, mit Rudrinn auf einem Piratenschiff zu leben. Aber sie wussten nach wie vor nicht, ob die Piraten überhaupt noch lebten.
Dann, zwei Tage, nachdem die ersten Flöße fortgefahren waren, erblickte Rudrinn etwas am Horizont. Die ganzen letzten Tage hatte er ungewöhnlich ernst und nachdenklich
gewirkt. Doch nun rannte er in das provisorische Lager und wirbelte die überraschte Saliah herum, die Birrna gerade beim Kochen geholfen hatte.
»Die Piraten, die Piraten kommen!«
»Wirklich?« Auch Saliah war erleichtert und folgte Rudrinn im Laufschritt ans Ufer.
Tatsächlich näherten sich bald etwa fünfzehn Schiffe, zum Teil mit Piratensegeln, zum Teil mit denen König Scurrs.
»Können Scurrs Männer überlebt haben?«, fragte Saliah erschrocken.
Rudrinn schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Sie wussten ja nicht, dass sie nach Silversgaard fliehen mussten.«
Bald erkannten sie Rudrinns Vater, der am Bug des ersten Piratenschiffes stand und in ein kleines Ruderboot sprang, das ihn an Land brachte.
Mit einem Freudenschrei sprang er auf Rudrinn zu.
»Rammatoch sei gelobt! Du verfluchter …« Bevor er ganz bei Rudrinn war, stellte sich Saliah vor ihn und funkelte den Piraten an.
»Wenn du ihn diesmal schlägst, werde ich dich mit deinem Bart an den nächsten Baum nageln. Das ist mein voller Ernst!«
Einen Augenblick zögerte Kapitän Norwinn, dann brach er in dröhnendes Gelächter aus und drückte Saliah einen dicken Kuss auf die Wange.
»Na, Mädchen, aus dir wird ja doch noch etwas! Rudrinn, deine Saliah wird eine prächtige Piratin werden.«
Glücklich lachend ließ Rudrinn die Umarmungen der anderen über sich ergehen.
»Fünfzig von uns sind tot«, sagte Kapitän Norwinn bedrückt, »aber wir haben es diesen roten Bastarden gezeigt.« Dann deutete er auf einen gefesselten und geknebelten Mann, den Blodwin und der alte Fizzgan gerade aus dem Ruderboot zerrten. »Zuerst habe ich ihn gar nicht erkannt.« Kapitän
Norwinn lachte rau auf. »Mitten im Wasser hat er sich an die Krone eines Baumes geklammert und geflennt wie ein Weib.«
Der Mann zerrte an seinen Fesseln und wand sich. Doch Blodwin versetzte ihm mit seinem Haken einen Klaps am Hinterkopf.
»Wir haben ihn an Bord genommen«, fuhr Rudrinns Vater fort, dann spuckte er auf den Boden. »Und plötzlich denke ich mir, den kenne ich doch. Dieser dreimal verfluchte Bastard von einem Zauberer, der mir weismachen wollte, dass du tot bist, Rudrinn.«
»Ich wollte ihn schon auseinandernehmen und an die Fische verfüttern«, krächzte Fizzgan und entblößte seinen beinahe zahnlosen Mund. »Aber dein Vater hat gesagt, du wirst ihn sicher lieber selbst umbringen wollen.«
Rudrinn kam näher, und erst jetzt erkannte er Zauberer Hawionn. Er sah ausgemergelt und ungepflegt aus. Die grauen Haare hingen ihm vom Salzwasser verklebt am Kopf. Sein Gewand war schmutzig und zerrissen. Er schien etwas sagen zu wollen.
Mit einer wütenden Bewegung schnitt Rudrinn ihm den Knebel durch.
»Thondra sei Dank«, keuchte Hawionn. »Diese rüpelhaften Piraten haben mich beinahe umgebracht. Rudrinn, du bist bei uns ausgebildet worden. Sag ihnen, dass sie mich in Ruhe lassen sollen.«
»Warum sollte ich das?« Wütend blickte Rudrinn dem Zauberer ins Gesicht, und seine Stimme wurde immer lauter. »Du bist ein verfluchter, verräterischer Bastard. Du hast uns alle belogen. Du wolltest Ariac an Scurr verkaufen. Du hast dich mit Ursann verbündet.« Rudrinns Blick war eiskalt. »Nenne mir einen Grund, warum ich dich nicht hier auf der Stelle aufschlitzen sollte.«
Fizzgan kicherte erwartungsvoll.
»Saliah«, Hawionn nickte zitternd zu ihr hinüber, »sie wird es nicht wollen.«
»Tu, was du für richtig hältst«, erwiderte Saliah aber und wandte sich ab, »er ist nichts als Abschaum.«
»Saliah, du bist eine Edeldame«, schrie Hawionn in Todesangst, und Rudrinn verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.
»Lasst ihn uns an den Mast hängen«, kreischte Fizzgan und sprang von einem Bein aufs andere. Dann hielt er ihm ein schartiges Messer vor die Nase. »Oder wir spielen noch ein wenig Messerwerfen mit ihm.«
»Rudrinn«, brüllte Hawionn, »halt mir diesen stinkenden Gnom
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