Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
Rudgarr nahm sie gleich in den Arm.
»Wenn es auf Camasann noch mehr solch hübsche Mädchen gibt, dann wundert es mich nicht, dass er so lange nicht nach Hause gekommen ist«, sagte er mit einem Lächeln, das seine wilden Tätowierungen viel weniger bedrohlich wirken ließ.
Thyra verpasste ihrem Mann einen Seitenhieb. »Willkommen Rijana, komm, setz dich mit ans Feuer. Du bist sicher hungrig.«
»Kann ich Lenya irgendwo unterbringen?«, fragte sie mit einem Blick auf die Stute.
Lynn nahm die Zügel. »Ich bringe sie zu den anderen Pferden.«
Nun folgte Rijana Ariacs Eltern zu dem großen Kochfeuer, wo schon eine Menge Arrowann saßen. Alle musterten Rijana neugierig, aber sehr freundlich. Beim Steppenvolk gab
es kaum Frauen mit so hellbraunem Haar, wie Rijana es hatte. Aber zu ihrer eigenen Verwunderung waren die Blicke ihr nicht einmal sonderlich unangenehm.
Als sie eine Zeit lang beisammengesessen hatten, Lynn war inzwischen auch wieder zu ihnen gestoßen, näherte sich eine schlanke Gestalt dem Feuer. Sofort sprang Lynn auf und umarmte sie. Die Zwillinge kamen nun näher. Sie sahen sich wirklich unheimlich ähnlich, nur dass Leá etwas schmaler im Gesicht war und ernster wirkte als ihre Schwester.
»Wo ist Ariac?«, fragte Leá aufgeregt.
»Ruric zeigt ihm gerade sein Pferd. Ich befürchte, er muss es reiten«, erklärte Thyra mit einem Seufzen.
Auf Leás Gesicht zeichnete sich ein Grinsen ab. »Seit er im letzten Herbst ein Pferd bekommen hat, muss er ständig jedem zeigen, was er ihm beigebracht hat«, erzählte Leá ihrer Schwester.
Dann ging Leá zu Rijana und begrüßte auch sie. Sie musterte das hübsche Mädchen eingehend und setzte sich neben sie.
»Wart ihr schon auf Camasann Freunde?«, fragte sie nach dem Essen.
»Wir haben uns auf der Reise dorthin kennen gelernt«, antwortete Rijana ausweichend.
Leá blickte sie durchdringend an, und Rijana wurde den Eindruck nicht los, dass Leá genau wusste, dass irgendetwas nicht stimmte. Doch in dem Augenblick kam Ariac zum Glück zurück. Rijana hatte ihn noch nie so gelöst und fröhlich gesehen. Sein kleiner Bruder erzählte ihm scheinbar gerade etwas, und Ariac lachte herzlich. Langsam konnte Rijana sich vorstellen, wie er gewesen war, als er noch bei seinen Leuten gelebt hatte. Er begrüßte nun auch seine zweite Schwester und setzte sich neben sie und Rijana. Auch Ariac bekam von dem frisch gebratenen Fleisch und dem Fladenbrot zu essen. Zur Nachspeise gab es Früchte. Alle bestürmten
ihn mit Fragen, doch Ariac blieb sehr einsilbig und antwortete nur ausweichend.
»Nun erzähl uns doch von Camasann«, verlangte Halran, einer der älteren Jäger, und auch die anderen nickten auffordernd. Das Steppenvolk liebte Geschichten am Lagerfeuer.
Ariac verschlug es die Sprache, und sein Gesicht war blass geworden.
Rijana packte Ariac beruhigend am Arm. »Ariac hat schon so viel erzählt, wenn es euch nichts ausmacht, dann werde ich etwas von der Insel berichten.«
Nun blickten alle zu ihr und nickten begeistert. Kaum einer vom Steppenvolk kam jemals in die anderen Länder.
Rijana erzählte von der sturmumtosten Insel, von den langen Sandstränden, dem riesigen Schloss und den grünen Weiden. Sie berichtete von ihrer Ausbildung im Reiten, Schwertkampf und den teilweise sehr ermüdenden Lehrstunden von Zauberer Tomis. Alle lachten, als Rijana die schnarrende Stimme des kleinen Zauberers nachmachte.
»Rudrinn, du verdammter Pirat, du wirst es nie fertigbringen, einen anständigen Brief zu schreiben!«, schnarrte sie.
Lynn wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht. »Ariac, dann kannst du ja sogar meinen Kindern das Lesen und Schreiben beibringen.«
Ariac stand ruckartig auf. »Ich bin müde. Habt ihr ein Zelt für uns?«
»Natürlich, entschuldigt«, sagte Thyra lächelnd. »Ihr habt einen langen Ritt hinter euch. Rijana kann in Leás Zelt schlafen, zusammen mit Lynn«, sie lächelte ihrer Tochter zu, »das kann ich wohl ohnehin nicht verhindern.«
Diese legte ihrer Zwillingsschwester lachend einen Arm um die Schulter. »Nein, sie hat mir furchtbar gefehlt.«
»Ariac soll mit bei mir schlafen«, verlangte Ruric entschieden.
»Nun gut, dann wäre das geklärt«, sagte Rudgarr und erhob
sich. »Rijana, falls du Wasser brauchst, hinter den Zelten ist eine Wasserstelle.«
Sie nickte und machte sich auf den Weg dorthin. Kurz hinter den Zelten holte Ariac sie atemlos ein und hielt sie am Arm fest.
»Danke«, sagte er.
»Wofür?«
»Dass du
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