Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
Kräftigste und ihr Anführer war. Rijana riss zunächst erschrocken die Augen auf, doch dann wurde sie wütend. Sie sprang auf, trat dem überraschten Morac gegen das Knie und nahm sich ihr Brot zurück.
»Das gehört mir!«
Morac, der zunächst sein Knie umklammerte und leise fluchte, lief knallrot an. Sein grobes Gesicht verzerrte sich vor Wut. Er ging auf das wesentlich kleinere Mädchen los und verpasste Rijana eine gewaltige Ohrfeige. Die Kleine wehrte sich wirklich tapfer, doch gegen den größeren und älteren Jungen hatte sie selbstverständlich keine Chance. Gerade wollte Brogan eingreifen, der erst jetzt mitbekam, was ablief, doch da sprang ein Schatten auf Morac zu. Ariac, der weiter entfernt an einem Baum gelehnt hatte, ging auf den größeren und breiter gebauten Jungen los und verprügelte ihn nach allen Regeln der Kunst, bis Morac mit blutiger Nase und einer Platzwunde an der Stirn auf dem Boden lag. Der Steppenjunge stand mit wutverzerrtem Gesicht über ihm.
»Was bist du nur für ein verfluchter Feigling?«, sagte er mit vor Zorn bebender Stimme. »Du kannst doch nicht einem kleinen Mädchen das Essen wegnehmen!« Ariac beugte sich zu dem nun ziemlich ängstlich dreinschauenden Morac hinunter, der weiter fort kroch. »Fass sie noch einmal an, und du wirst den Tag verfluchen, an dem du geboren wurdest.«
Damit nahm Ariac das Brot und den Käse, lief zu Rijana hinüber, die sich inzwischen aufgerappelt hatte, und gab es ihr. Dabei warf er Morac noch einen bitterbösen Blick zu.
Der Junge erhob sich schwerfällig und schlich beschämt davon.
Brogan und die Krieger hatten das alles aus der Ferne beobachtet.
»Ariac hat das Herz am rechten Fleck«, sagte Brogan beeindruckt, und die Krieger nickten.
»Wenn wir seine Wildheit noch ein wenig zähmen können, wird er ein guter Krieger werden.«
Rijana sah mit großen Augen zu dem Steppenjungen mit den langen Haaren und den Tätowierungen auf, der ihr das Brot und den Käse hinhielt.
»Danke«, stammelte sie.
Ariac nickte und setzte sich neben sie. Er wischte ihr das Blut von der Lippe. »Wenn dir dieser Feigling noch mal zu nahe kommt, dann sag es mir, ja?«
Sie nickte und schenkte Ariac ein Lächeln. »Wie heißt du?«
»Ariac«, antwortete er, und wieder hatte er ganz kurz das komische Gefühl, die Kleine zu kennen, so wie an dem Tag, als sie zu ihnen gestoßen war.
»Ich heiße Rijana.« Sie biss in ihr Brot und hielt Ariac den Rest hin, doch der schüttelte den Kopf.
Ariac blickte zu den anderen Kindern hinüber, die sich um Morac versammelt hatten, der abfällig über »den unzivilisierten Wilden« schimpfte.
»Warum hast du dich nicht Morac und den anderen angeschlossen?«, fragte Ariac mit hochgezogenen Augenbrauen. »Wenn du zu ihnen gehören würdest, ließen sie dich sicher in Ruhe.«
Rijana schüttelte den Kopf. »Ich mag sie nicht. Sie sind gemein.«
Ariac nickte, dann schaute er die Kleine ernst an: »Wenn du möchtest, dann beschütze ich dich. Es sei denn, du magst auch keine Steppenleute.«
Rijana dachte kurz nach: »Außer dir kenne ich keine Steppenleute, und du hast mich vor diesem Blödmann gerettet, also mag ich dich.«
Das erste Mal, seitdem er von seinem Clan fortgegangen war, lächelte Ariac. »Wir sind wohl beide ein wenig anders als die anderen.«
Rijana nickte und schlang die Arme um die Beine.
»Weißt du, wo wir hingehen?«
Ariac sah sie überrascht an. »Natürlich. Weißt du es nicht?«
Sie schüttelte beschämt den Kopf, und Ariac begann, sie über die Insel Camasann, die Zauberer und die Kinder Thondras aufzuklären. Rijanas Augen wurden immer größer. Sie kannte die ganzen Geschichten nicht und konnte kaum glauben, dass Brogan denken könnte, sie wäre eine der Sieben.
»Haben deine Eltern dir keine Geschichten erzählt?«, fragte Ariac verwirrt.
»Nein, sie mögen mich nicht, weil ich kein Junge bin«, antwortete sie traurig.
»Warum das denn?« Ariac zog die dunklen Augenbrauen zusammen. »Bei uns Steppenleuten sind Mädchen sehr wichtig. Auch sie können Kriegerinnen werden und sind der größte Reichtum eines Clanführers.«
»Dann wäre ich wohl lieber in der Steppe geboren worden«, seufzte Rijana. Sie schlug die Augen nieder und meinte traurig: »Meine Eltern haben gesagt, sie könnten mich wohl nicht mal loswerden, wenn ich älter bin, weil ich nicht so hübsch bin wie meine Schwestern. Sie haben alle wunderschöne, goldblonde Haare, und ich«, sie schniefte leise, »ich bin
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