Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
war das kleine Mädchen, das mit großen Augen auf die toten Männer blickte.
»Du meine Güte, Rijana, wo kommst du denn her?«, fragte Brogan überrascht, aber er war unendlich froh, dass zumindest sie noch hier war.
Doch die Kleine reagierte gar nicht auf seine Frage.
»Ariac?«, fragte sie mit zitternder Stimme, und Tränen traten ihr in die Augen. »Wo ist er?«
Brogan nahm das Mädchen in den Arm. »Es tut mir leid, aber die Blutroten Schatten haben ihn mitgenommen. Er wird nach Ursann gebracht.«
Rijana wusste nichts von Ursann oder von irgendwelchen Blutroten Schatten. Sie wusste nur, dass ihr einziger und bester Freund, den sie noch hatte, nicht mehr hier war. Sie schluchzte verzweifelt und vergrub ihr Gesicht an Brogans kräftiger Schulter.
»Aber – er – hat doch gesagt«, weinte sie, »dass er mich holt – und – dass er mich beschützt.«
Brogan streichelte der Kleinen traurig über den Kopf. »Das hätte er sicher getan, aber jetzt kann er das leider nicht mehr.«
Rijana weinte nun hemmungslos. Brogan war erschüttert. Sosehr ihm alle Kinder leidtaten, aber um Ariac machte er sich die meisten Gedanken. Der wilde Steppenjunge würde Schlimmes ertragen müssen, bis Scurr oder Worran seinen Willen gebrochen hatten.
Hoffentlich ist er keiner der Sieben, dachte Brogan und sandte ein stummes Gebet zu Thondra, dem Gott des Krieges, der so lange geschwiegen hatte.
Brogan wartete, bis sich Rijana etwas beruhigt hatte, dann sagte er traurig: »Ich muss meine Freunde verbrennen. Leider ist das Meer zu weit weg.«
»Wieso?«, fragte Rijana und wischte sich über die Augen.
»Weil wir die Toten auf ein Boot legen und dieses dann auf dem Meer verbrennen. So wird ihr Geist auf die letzte Reise geschickt. Da sie als Krieger gestorben sind, werden sie Einlass in Thondras Hallen finden.«
Rijana nickte ernst, obwohl sie das alles wohl noch nicht ganz verstand.
Brogan begann trockenes Holz zu sammeln, und das Mädchen half ihm dabei. Anschließend zerhackte der Zauberer auch den zerstörten Planwagen. Scurrs Männer hatten auch die Pferde verjagt. Dann begann er Holz aufzuschichten. Anschließend legte er die toten Krieger auf den Holzhaufen, murmelte einen Segen, der sie auf ihre letzte Reise schicken
sollte, und entzündete mit einem Blitz aus seinem langen, mit Runen verzierten Zauberstab das Feuer.
Rijana riss die Augen auf. Sie hatte noch nie jemanden zaubern gesehen.
Der alte Mann legte seinen Arm um das kleine Mädchen, und sie sahen zu, wie das Feuer ganz allmählich herunterbrannte.
»Sind sie jetzt in Thondras Hallen?«, fragte sie mit großen Augen.
Brogan nickte ernst. »Ja, und eines Tages werden sie vielleicht wiedergeboren.«
»Aber ich dachte, nur Thondras Kinder werden wiedergeboren?«, fragte sie verwirrt.
Brogan schüttelte den Kopf. »Nein. Auch andere Menschen werden wiedergeboren, aber unbemerkt, da sie oft keine besonderen Taten vollbringen und sich an ihr früheres Leben nicht erinnern können.«
Rijana nickte, obwohl sie sich das kaum vorstellen konnte.
Anschließend machten sich die beiden zu Fuß auf die Reise. In einem der nächsten Dörfer kaufte der Zauberer ein Pferd und ritt gemeinsam mit Rijana weiter durch das Land. Die Kleine machte sich immer wieder Gedanken um ihren Freund Ariac.
Eines Abends am Lagerfeuer, Brogan hatte ein Rebhuhn erlegt, fragte sie unschuldig: »Werde ich Ariac eines Tages wiedersehen, wenn er seine Ausbildung beendet hat?«
Brogan schluckte, und ein dicker Kloß bildete sich in seiner Kehle. Er sah die Kleine nachdenklich an, die so hoffnungsvoll zu ihm aufblickte.
»Das weiß ich nicht, mein Kind, wir werden sehen.«
Stumm fügte er hinzu: Mögen alle Mächte des Lichts das verhindern, denn wenn der Junge seine Ausbildung beendet hat, wird er ein grausamer und gnadenloser Krieger sein.
Rijana nickte traurig und spielte an der Kette mit der
Speerspitze herum, die Ariac ihr geschenkt hatte. Sie vermisste ihn schon jetzt und hoffte, dass es ihm gut gehen würde.
Ariac und die anderen Jungen waren von Worran und seinen Soldaten rasch fortgebracht worden. Nachdem sie in den dichten Wäldern Cathargas verschwunden waren, wurden die Jungen gefesselt und mussten fortan hinter den Pferden herlaufen. Worran hatte Ariac grün und blau geschlagen, weil dieser die Frechheit besessen hatte, ihn anzugreifen. In Ariac brodelte der Hass. Er wollte einige Male flüchten, doch die Kinder wurden schwer bewacht, und eine missglückte Flucht hatte
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