Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
jetzt? Aber kurz darauf kehrte Shin zurück.
»Schnell, ihr müsst fort, es kommen Menschen in roten Umhängen. Ihr müsst fliehen, sonst seid auch ihr tot.«
Ariac packte Rijana am Arm und zog sie mit sich. Shin
folgte ihnen und leuchtete ihnen mit ihrem besonderen Licht den Weg zu ihren Pferden. Die beiden sattelten hastig und verwischten ihre Spuren. Dann trabten sie, geführt von Shins Licht, durch den Nebel. Hier und da glaubten sie, das Klappern von Hufen und das Klirren von Waffen zu hören, aber alles war gedämpft und schien weit weg zu sein. Langsam musste es Morgen werden. Der Nebel begann sich zu lichten, und Shin löste sich langsam auf.
»Seid auf der Hut«, flüsterte sie in den Wind, der sich erhob, »die Welt wird sich wandeln.«
Schon war der Waldgeist verschwunden.
»Danke«, flüsterte Rijana ihr hinterher, dann galoppierte sie mit Ariac über eine mit Felsen übersäte Grasebene auf einen weiteren kleinen Hain zu. Sie ritten schnell und warfen immer wieder nervöse Blicke über die Schulter, aber es war nichts zu sehen. Als gegen Mittag die Sonne blass am Himmel stand, hielten sie erschöpft an einem kleinen See an. Das Wasser kräuselte sich im leichten Wind, und ein paar Enten schwammen friedlich umher. Sie suchten sich einen geschützten Platz hinter einer Hecke und aßen etwas Brot und Käse. Ariac stellte sich noch einmal auf einen Felsen und blickte nach Süden, aber es waren keine Soldaten zu sehen.
Rijana lehnte sich müde zurück und schloss ihre Augen.
»Schlaf ein wenig«, sagte Ariac leise. »Ich wecke dich später.«
Da sie die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, war sie schon bald eingeschlafen. Ariac musterte sie liebevoll und dachte über die Sache mit dem Waldgeist nach. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass es solche Wesen überhaupt gab.
»Dafür weiß ich, wo ein Troll am verletzlichsten ist, dass man Feuerechsen besser aus dem Weg geht und wie man einen Ork am besten tötet«, murmelte er bitter. Auf Camasann hatte man anscheinend sehr viel nützlichere Dinge gelernt.
Irgendwann wurde er selbst schläfrig, ihm fielen die Augen immer wieder zu. Schweren Herzens weckte er Rijana, die in der Mittagssonne so friedlich schlief. Sie blinzelte und lächelte ihn an.
»Tut mir leid, aber ich muss auch kurz schlafen.«
»Natürlich«, sagte sie bestimmt und stand auf. Sie gab ihm einen Kuss und stellte sich neben die Pferde, die das saftige Gras zupften.
Lenya kam zu ihr und stupste sie an.
»Na, meine Schöne, das schmeckt gut, oder?«, sagte Rijana und lehnte sich gegen ihr Pferd.
Die Reise war anstrengend und gefahrvoll, aber trotzdem war sie irgendwie glücklich. Sie hatte ein wunderbares Pferd, und Ariac war bei ihr. Mehr wollte Rijana eigentlich nicht. Aber sie wusste auch, dass sie noch eine Aufgabe zu erfüllen hatten, und sie vermisste ihre Freunde. Wie mochte es Saliah und den anderen gehen?
Falkann, Rudrinn, Saliah, Tovion und Broderick waren zu dieser Zeit noch immer auf der Insel Silversgaard und überwachten die Überfahrten zum Festland. Immer wieder wurden sie von König Scurrs Kriegsschiffen angegriffen, und hin und wieder gelang es auch einem Piratenschiff, etwas Silber zu stehlen. Alles in allem waren die fünf jungen Leute sehr unzufrieden, weil ihnen die Zustände auf der Insel nicht gefielen. Die Sklaven wurden mehr als schlecht behandelt, und man hörte immer wieder Gerüchte, dass nicht alle Minenarbeiter Mörder oder sonstige Verbrecher waren, die ihre Strafe abarbeiten mussten. Aber die Wahrheit bekamen sie nicht heraus. Falkann hatte noch immer ein schlechtes Gewissen, aber gleichzeitig auch einen furchtbaren Hass auf Ariac. Er vermisste Rijana mehr, als er jemals vor irgendjemandem zugegeben hätte. Besonders Broderick machte sich Sorgen um ihn, denn er kannte Falkann einfach zu gut und wusste, dass
etwas mit ihm nicht stimmte. Saliah schien langsam über den Tod des jungen Soldaten hinwegzukommen, und Rudrinn tat alles, um sie aufzuheitern. Tovion vermisste Nelja, und auch Broderick war wütend, dass er keinerlei Nachricht von Kalina erhalten hatte. Aber hier auf der Insel bekam ohnehin niemand einen Brief. Also hielten die fünf Freunde Wache, beluden Schiffe und schossen mit Bögen auf Scurrs Kriegsflotte. Alle waren besorgt, weil sie nichts von Rijana hörten. Die Krieger von König Greedeon suchten unaufhörlich, konnten sie aber nicht aufspüren.
König Scurr galoppierte an diesem Tag über eine der wenigen geheimen Straßen, die
Weitere Kostenlose Bücher