Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
treten, als die anderen Soldaten nicht aufpassten. Daraufhin versetzte Worran Ariac wütend einen Schlag mit dem Knauf seines Schwertes auf den Kopf, sodass Ariac bewusstlos zu Boden ging.
Worran stieß Ariac verächtlich mit dem Fuß an. »Schert ihm die Haare und bringt ihn in die große Halle, wenn er wieder bei Bewusstsein ist.«
Die Soldaten verbeugten sich gehorsam und begannen dem Steppenjungen die dicken, hüftlangen Haare abzuschneiden.
Ariac blinzelte. Sein Kopf dröhnte, und das helle Licht tat seinen Augen weh, doch bevor er ganz zu sich kam, wurde er auch schon brutal in die Höhe gerissen. Ein älterer Soldat mit hartem Gesichtsausdruck zog ihn nach oben.
»Los, lauf, du Stück Dreck, König Scurr will dich sehen.«
Ariac schüttelte sich ein wenig, dann fuhr seine Hand zu der Beule an seinem Kopf. Er zuckte erschrocken zurück. Seine Haare waren abgeschnitten und nun nicht einmal mehr eine Fingerbreite hoch.
»Was habt ihr mit mir gemacht?«, schrie er wütend und blieb stehen. Für einen Arrowann waren die langen Haare und die Zöpfe ein Zeichen von Ehre – ein Zeichen, ein stolzer und unbezwingbarer Krieger zu sein.
»Wir haben aus dir einen zivilisierten Menschen gemacht«, antwortete der Soldat verächtlich und schubste Ariac voran, der vollkommen entsetzt war. »Schade, dass wir diese scheußlichen Zeichen neben deinen Augen nicht wegbekommen.«
Ariac schloss die Augen. Das konnte doch alles nur ein böser Traum sein. Er hatte es bereits als Strafe empfunden, mit Brogan gehen zu müssen, doch was jetzt passierte, war wirklich schrecklich. Ariac wurde in einen großen Raum geführt, in dem ein riesiger Thron in der Mitte stand, auf dem ein großer, hagerer Mann saß. Dieser betrachtete mit stechendem Blick die Kinder, die in einer Reihe vor ihm aufgestellt standen und nicht wagten, sich zu rühren. König Scurr war zwar erst Anfang vierzig, doch er wirkte älter und geisterhafter mit seinem ausgemergelten Gesicht und den unheimlichen, tief in den Höhlen liegenden Augen, unter denen dunkle Schatten zu sehen waren. Trotzdem ging etwas Magisches von ihm aus. Niemand konnte den Blick abwenden.
Ariac wurde in die Reihe neben die anderen Jungen gedrängt.
Ein Junge aus Catharga, der wohl etwa in Ariacs Alter sein musste, stand zitternd neben ihm. Ariac sah, dass der Junge augenscheinlich mit den Tränen kämpfte. König Scurrs Blick fiel auf Ariac, der seine ganze Willenskraft brauchte, um diesem standzuhalten. Die Augen des Königs schienen ihn zu durchdringen und zu fesseln. Sie hatten keine eindeutige Farbe, und für einen Augenblick sah man nur ewige Finsternis, die alles zu verschlingen drohte.
»Ein Steppenjunge, wie interessant«, sagte der König mit einer leisen Stimme, die geisterhaft durch den Saal hallte. Er erhob sich von seinem Thron und stand in seiner ganzen Größe auf dem Podest.
»Er hat uns einigen Ärger bereitet«, knurrte Worran, der neben seinem Herrn stand und die Finger knacken ließ. »Es wird mir eine Freude sein, ihn zu Eurem treuen Diener zu machen.«
Ariac blickte den finsteren König mit bewundernswerter Unerschrockenheit an, während er sich schwor: Ich werde niemals dein Diener sein!
KAPITEL 2
Die Insel Camasann
B rogan und Rijana ritten, so schnell ihr Pferd sie trug, durch Catharga. Bald hatten sie die riesige steinerne Brücke erreicht, die schwer bewacht wurde. Krieger, die das Wappen König Hylonns trugen, ein Greif über einem Felsmassiv, verlangten von den heranrollenden Händlern Zoll. Rijana staunte, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben das Meer sah, das an diesem Tag nur träge gegen das sandige Ufer brandete. Für ihre Begriffe schien selbst diese Meerenge, die nach Westen ein wenig weiter wurde, unendlich zu sein. Auch das gewaltige Bauwerk der Brücke faszinierte sie. Die Steinbrücke hatte auf beiden Seiten Zinnen. Brogan erklärte, dass das wegen der Piraten sei, die gelegentlich die Küste heimsuchten.
»So können die Bogenschützen auf sie schießen, ohne selbst in Gefahr zu kommen«, erklärte Brogan.
Rijana nickte fasziniert, die ganze Reise kam ihr vor wie ein unglaublicher, nicht enden wollender Traum. Der Zauberer warf einen Blick zum Himmel und seufzte. Heute würden sie die Brücke nicht mehr überqueren, sonst wäre es dunkel, bis sie die andere Seite erreichten. Er ritt mit der Kleinen zu einem Gasthaus, wo er Eintopf und frisches Quellwasser für Rijana bestellte. Er selbst genehmigte sich ein kühles Bier. Die
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