Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
bitte!«
Wenig beeindruckt zuckte Rudrinn die Achseln und spuckte den Rest seines Apfels ungerührt auf das mit Gold verzierte Tor, vor dem einige Wachen standen. Der Zauberer verdrehte die Augen, aber er sagte nichts weiter dazu. Sollte Tharn, einer der Ausbilder von Camasann, dem Jungen Manieren beibringen. Er, Brogan, war in diesem Sommer nur für die Suche von Kindern zuständig und hin und wieder für das Schwertkampftraining.
Viele weitere Tage ritten sie über die Straße. Dörfer und Städte wurden seltener, und schließlich erstreckte sich vor ihnen
nur noch endloses Grasland, auf dem hier und da halbwilde Pferde grasten. Irgendwann passierten sie ein finsteres Waldstück, in dessen Mitte sich ein hoher Hügel erhob. Ansonsten war das ganze Land eher flach. Brogan trieb die Pferde an, um schneller vorwärtszukommen.
»Was ist das für ein Wald?«, fragte Rijana, die mittlerweile hinter Rudrinn auf dem Pferd ritt. Die beiden hatten sich ein wenig angefreundet.
Der Piratenjunge zuckte die Achseln. Er war noch nicht sehr oft auf dem Festland gewesen.
»Hey, Zauberer, was ist das für ein Hügel?«, rief er nach vorne.
Brogan drehte sich um, und sein Gesicht verzog sich missbilligend. »Es heißt: Meister Brogan oder Zauberer Brogan. Das habe ich dir in den vergangenen Tagen schon hundertmal gesagt!«
Rudrinn grinste nur, denn eigentlich hatte er vor nichts und niemandem wirklich Respekt. Er verbeugte sich jedoch, was allerdings eine Spur zu übertrieben wirkte, und fragte betont höflich: »Meister Brogan, würdet Ihr die Ehre haben, uns unwürdigem Volk mitzuteilen, was dies für eine Erhebung ist?«
Rijana lachte hell auf. Brogan unterdrückte einen Fluch.
»Das, du kleiner Rotzlöffel, ist Tirman’oc. Es ist verboten, dort hinzugehen«, sagte der Zauberer ohne weitere Erklärung und trieb sein Pferd rasch an.
»Dann ist es bestimmt interessant, den Wald ein wenig zu erforschen«, flüsterte Rudrinn und grinste Rijana zu.
Diese nickte begeistert. »Jetzt gleich?«, fragte sie aufgeregt.
Rudrinn zuckte die Achseln und nickte dann. Er warf noch einen Blick nach vorn, doch der Zauberer trabte rasch voraus. So lenkte Rudrinn das Pferd in das dichte Unterholz. Der Wallach schnaubte nervös und tänzelte. Die Bäume waren dicht verwachsen, und irgendwie schien ein Raunen durch
sie zu gehen. Rijana bekam Gänsehaut. Sie fröstelte plötzlich, wollte sich vor Rudrinn jedoch keine Blöße geben. Aber auch der Piratenjunge war angespannt und lauschte nervös. Er trieb das schnaubende und ständig zusammenzuckende Pferd energisch weiter. Schon nach kurzer Zeit sah man die Straße nicht mehr. Plötzlich, als eine Art Windstoß durch die Bäume fegte, der etwas zu flüstern schien, stieg der Wallach erschrocken und warf die beiden Kinder ab. Sie landeten unsanft auf dem Waldboden. Das Pferd galoppierte währenddessen mit wehenden Steigbügeln davon.
»Hast du dir wehgetan?«, fragte Rudrinn erschrocken und half Rijana auf, die dabei das Gesicht verzog.
»Nein«, sagte sie tapfer, wobei sie ein Stöhnen unterdrückte. Der Wald war düster, und die beiden Kinder hatten beinahe den Eindruck, als würden die Bäume und Büsche sie bedrängen. Rijana ging näher zu Rudrinn hinüber, der ihr beschützend einen Arm um die Schultern legte. Doch auch der Piratenjunge sah unter seiner Sonnenbräune ein wenig bleich aus.
»Wir … wir sollten vielleicht lieber nach draußen gehen«, schlug er stockend vor.
Rijana nickte erleichtert. Sie hatte es sich nicht getraut, das vorzuschlagen, da sie Angst gehabt hatte, dass Rudrinn sie für einen Feigling hielt. Sie folgte dem Piratenjungen dichtauf, um ihn ja nicht zu verlieren. Immer wieder kratzten Dornenbüsche an den Kleidern der Kinder, und sie stolperten ständig über Wurzeln, die sich urplötzlich vor ihren Füßen auftaten. Eigentlich konnten die beiden nicht sehr weit von der Straße entfernt sein, aber irgendwie kamen sie dem Waldrand nicht wirklich näher. Die beiden liefen immer weiter, während der Wald ihnen etwas zuzuflüstern schien. Unheimlich rauschte es in den Bäumen, und man konnte durch das dichte Laub kaum den Himmel erkennen. Urplötzlich standen die beiden vor einem Hügel, auf dem ein unglaublich schönes Schloss
gebaut war. Viele helle Türme wurden von hohen Zinnen umrahmt, und Bäume schmiegten sich an den Felsen heran. Doch irgendwie wirkte alles verlassen und verwunschen.
»Wollen wir hochklettern?«, fragte Rudrinn, den plötzlich
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