Thorn - Die letzte Rose
Nasen, die einem Bluthund alle Ehre machten. Dann ging es nur ums Fressen oder Gefressenwerden.
Hier und da stand auf seinem Weg eine verwaiste Straßenlaterne; das davon ausgehende Licht war kaum der Rede wert: trübe Funzeln und doch stark genug, dass lange, gespenstische Schatten, die Cesaro größtenteils selbst warf, an ihm vorüber zogen, ihn gleichermaßen verfolgten als auch vor ihm geisterten.
Die allgegenwärtige Stille, die lediglich vom Auftreffen seiner Cowboystiefel auf dem Kopfsteinpflaster und dem Rasseln seiner Sporen durchschnitten wurde, verstärkte nur das mysteriöse Ambiente, das ihm den Hals zuschnürte.
Während er weiter hetzte, entdeckte er aus den Augenwinkeln eine hoch aufragende, kunstvoll verzierte Pestsäule, ohne seine Aufmerksamkeit darauf zu verschwenden. Sein Herz pochte bis in den Schläfen, schien ein Motor zu sein, dessen Kolben immer und immer wieder gegen seine Rippen schlugen. Nur hin und wieder warf er einen scheuen Blick zurück, wo bald die Jäger auftauchen würden. Er wusste, sie waren hinter ihm her, und sie würden nicht eher ruhen, bis sie ihm im wahrsten Sinne des Wortes des Arsch aufgerissen hatten. Kein sehr schmeichelhafter Gedanke ....
So hatte er sich das nun wirklich nicht vorgestellt!
„Reine Routine“, hatte es im Memorandum der Rose geheißen, das er vor wenigen Stunden per E-Mail in seiner Mansardenwohnung in Castel Gandolfo bekommen hatte. Kein teures Apartment, doch von der Dachterrasse aus konnte er die Päpstliche Sommerresidenz sehen, und auch den Blick auf den Albaner See wollte er nicht missen. Seitdem er aus dem klösterlichen Internat der Jesuiten entlassen worden war, hatte er diesen Anblick zunächst schätzen und dann lieben gelernt.
„Ein Mondvampir“, hieß es lapidar, als wolle man an seinen Stolz appellieren, sich der Sache anzunehmen. „Vermutlich allein, höchstens zwei im Gefolge.“
Tatjana Thorn habe hier in Wien vor einigen Wochen ein Sucker-Nest ausgehoben und einen siebenköpfigen Clan ausgerottet. Dieser eine Vampir, um den es jetzt ging, habe sich dem Clan offenbar aus freien Stücken angeschlossen, obwohl Mondvampire mit den Suckern sonst wenig gemein hatten. Seine Ergebenheit sei nicht besonders tragisch, gelegentlich folge man eben einem falschen Ideal, darin ähnelten die Mondvampire den Menschen. Tragisch hingegen sei, er habe offenbar an dem Gedanken, einen Clan um sich aufzubauen, Gefallen gefunden. Mehrfach sei er in den letzten Tagen aufgefallen, wie er versucht habe, Menschen von seinem Blut zu trinken zu geben. Dadurch wurden aus ihnen selbst Mondvampire, wenn auch ihrem Meister längst nicht so bedingungslos ergeben wie Sucker.
Die ROSE müsse ihn beseitigen, bevor es ihm gelang, eine schlagkräftige Armee um sich aufzubauen. Man müsse die Gefahr im Keim ersticken, bevor sie zu einem ernst zu nehmenden Risiko wurde. Reine Routine also ...
Eine der Schwächen des Schweizers war Silber. Die Kugeln in seinen Pistolen waren von Silber ummantelt, und er hatte alles mit Silber beschlagen lassen, was möglich war: Die Knäufe der Waffen, seine Sporen, seine Gürtelschnalle, seine Knöpfe - sogar die Verkleidung seiner Harley Peterson Hurricane bestand aus jenem magischen Metall, das Argentinien seinen Namen gegeben hatte.
Da Mondvampire auf Silber reagierten, war ihm die Entscheidung leicht gefallen, sich von seinem Sofa zu erheben, sich die DVD von Rio Bravo für nach seine Rückkehr aufzuheben und in seine Reisetasche drei Schachteln Munition einzupacken. Es verstand sich für ihn von selbst, Thorns Fehler auszubügeln, und sie konnte sich kaum darum kümmern. Soweit er wusste, trieb sie sich zurzeit in Japan herum, und Wien lag für ihn praktisch um die Ecke. Umso besser - war sie ihm einen Gefallen schuldig. Vielleicht würde es ihm doch noch irgendwann gelingen, ihr Knappe zu werden.
Zudem war ein Mondvampir ein Klacks. Selbst zu dritt stellten sie kein Problem für einen zwar noch jungen, aber mit allen Wassern gewaschenen Vampirjäger wie Cesaro dar.
Sie waren fast menschlich. Mehr noch: Tagsüber wurden sie sogar zu Menschen, ihre Kräfte zeigten sich erst mit dem Hereinbrechen der Nacht.
Wirklich ein Routinejob. Das schaffte er locker allein.
Leider war das Memorandum eine Sache und die Realität meist eine andere.
Innerhalb weniger Stunden hatte die Hurricane ihn über den Brenner gebracht, und selbst die angegebene Adresse in Wien, wo Thorn den Clan ausgelöscht hatte, war mit dem GPS schnell
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