Thorn - Die letzte Rose
Schwermütig schien er auf die prasselnden Flammen hinab zu sehen, die aus Takenaka-sans Haus traten. Gleißend heller Feuerschein, der von dem Haus Besitz ergriffen hatte, fraß sich wie ein gieriges Monstrum kontinuierlich durch die trockene Holzkonstruktion und würde in mehreren Stunden, wenn das Werk vollendet war, nur noch verkohlte Trümmer hinterlassen.
Wortlos beobachteten Thorn und Ryuki die züngelnden Flammen.
Funken stoben, und das Knistern erfüllte ihre beiden Herzen. Eine Wolke aus purer Hitze stob ihnen entgegen, doch die beiden Frauen schienen sie gar nicht zu bemerken, starrten nur mit leerem Blick auf das Feuer. Gemeinsam hatten sie das Benzin aus den Kanistern verschüttet, und synchron hatten sie die brennenden Zigarillos durch die offenen Fenster geworfen, um Takenaka-sans letzten Wille zu erfüllen.
„Was wirst du tun?“, war es schließlich die Ritterin, die das Wort ergriff, ohne den Blick von dem Scheiterhaufen abzuwenden. „Wirst du seine Nachfolge antreten, so, wie er es vorgesehen hat?“
Seufzen. „Frag’ mich bitte was Leichteres.“
„Du weißt, die ROSE kann jederzeit Leute gebrauchen.“
„Auch jemanden wie mich? Erinnere dich – der Sensei wollte mich als Knappin, und man hat sofort abgelehnt. Nicht einmal Bedenkzeit haben sie sich erbeten.“ Bitterkeit lag in ihrer Stimme.
„Der neue Prokurator hat einen frischen Wind in die alten Gemäuer gebracht. Er ist mitunter zwar ziemlich anstrengend, aber trotzdem eine absolute Bereicherung. Auch du wärst eine Bereicherung!“
„Ich kann dir nicht die Zukunft weissagen“, stellte die Japanerin fest. „Es wird schwierig sein, ohne den Sensei zu leben, ich muss mir erst über einiges im Klaren werden.“
„Ich will dich auch zu nichts drängen.“ Thorns Arm legte sich freundschaftlich um Ryukis Rücken, als hoffe sie, ihre Schwester nie zu verlieren. Wie gern hätte sie gefragt, ob sie ihr bei der Suche nach Susanna und der Auseinandersetzung mit Rotauge zur Seite stehen stand - doch Ryuki hatte momentan mehr als genug mit sich selbst zu tun. „Es geht mir nur darum, dass du weißt, du bist nicht allein.“
Anerkennendes Nicken war die Antwort. Der Blick der Asiatin streifte Thorn von der Seite. „Aber du weißt auch, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Der Wahnsinn kann mich jederzeit befallen, und dann .... Ich werde alles tun, damit es nicht dazu kommt, selbst wenn ich mich selbst töten muss. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich mich dann noch an dieses Versprechen halte.“
Dazu nickte die Vampirjägerin nur. Sie wagte nicht, sich vorzustellen, was sie dann erwartete, doch ihr graute bereits jetzt davor.
Die Japanerin legte nun ihrerseits den Arm um sie und schaute wieder schwermütig auf das Haus. Soeben brach der Dachstuhl ein, Trümmer wurden umher gewirbelt, Feuerkaskaden erhoben sich und fielen in sich zusammen. Die Flammen schienen der Scheiterhaufen zu sein, auf dem die alte Zeit verbrannte, um einer neuen Platz zu machen.
In dem Haus verbrannte Ryukis bisheriges Leben, und die Zukunft würde zeigen, was aus der Asche spross. Ob sie tot und leblos blieb oder sich daraus ein prächtiger Phönix erhob. Leider hatte es die Zukunft so an sich, dass sie sich von niemandem in die Karten sehen, geschweige denn sich manipulieren ließ.
Ryuki schluckte. „Ja, ich weiß, du bist da ... Aber ich hoffe, du bist auch da, wenn ich dich wirklich brauche.“
Es kostete Thorn Mühe zu antworten: „Keine Sorge, ich stehe zu meinem Wort.“
Kapitel 6
WIENER BRUT
Scheiße, Scheiße und abermals Scheiße!
Philip Cesaro lief, so schnell er nur konnte, was seine Beine und seine Kondition hergaben.
Er achtete dabei nicht auf seinen unrhythmischen Atem, solange er nur genügend Luft in seine Lungen pumpte. Auch nicht auf den Schweiß, der sich inzwischen wie eine zweite Haut über seinen Körper gelegt hatte. Bald würde er stinken wie ein Schwein in der Sauna - vorausgesetzt, er überlebte solange!
Weiter! Nur weiter!
Von einem anderen Gedanken als diesem wurde der kleingewachsene Rosenknappe nicht getrieben. Längst schienen aus seinen Beinen autarke Geschöpfe geworden zu sein, die nicht mehr seinem kontrollierten Willen gehorchten, sondern nur noch dem tumben Instinkt der Selbsterhaltung. Oder vielmehr dem, was den Menschen in Anbetracht der allseligmachenden Errungenschaften der Zivilisation wie DVD’s, Fast Food, Playstation und Peep-Shows noch davon geblieben war.
In dieser
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