Thorn - Die letzte Rose
Blutsauger werden. Nein, dazu würde er es nicht kommen lassen, sondern sich notfalls lieber selbst das Leben nehmen. Besser tot, als untot!
Einen flüchtigen Gedanken lang beneidete er Thorns fehlende Eitelkeit. Sie fuhr keine hübsche Hurricane, sondern einen tumben gepanzerten Geländewagen. Das bot den Vorteil, sie konnte den Kofferraum bestücken, als plane sie eine One-Woman-Offensive gegen Liechtenstein.
Er hingegen - zwei Pistolen, ein Gewehr und das Messer genügten ihm ... Minus dem Gewehr, das sicher verpackt an seiner Harley hing. Gerade jetzt hätte er es händeringend gebraucht, und sei es auch nur, um sich daran festzuhalten und dadurch sicherer zu fühlen. Jetzt rächte sich sein Dünkel.
Überall um ihn herum befanden sich nur labyrinthhafte Gassen. Gelegentlich entdeckte sein besorgter Blick ein Tor, jedoch keinen Hinterhof, in dem er sich verstecken konnte. Nichts! Nicht die geringste Gelegenheit für eine knappe Pause, um sich zu fangen und seine wildwütend tosenden und sich im Kreis drehenden Gedanken zu ordnen oder gar eine Gegenoffensive zu planen.
Ein humorloses Grinsen umspielte seine Mundwinkel, als er seinen Fehler einsah: Er konnte sich nirgends verstecken!
Er hatte es mit Sucker-Meistern zu tun, deren Geruchssinn selbst den eines ausgebildeten Drogen-Köters bei weitem übertraf. Wo auch immer er sich verborgen hätte, selbst wenn er in alter Tradition die Wiener Kanalisation genutzt hätte - seine Verfolger hätten ihn aufgespürt. Ganz gleich, wo er untertauchte. Im Prinzip konnte er seinem Schicksal auch genauso gut ins Auge blicken und sich der Gefahr stellen. Früher oder später würde ihm ohnehin keine Alternative bleiben und ...
Cesaro kam nicht dazu, sein Hirngespinst zu Ende zu spinnen.
Jäh fuhr er zusammen und wurde, ohne es zu wollen, ein weniger langsamer. Er hatte etwas gehört.
Irgendwo in der Nacht vernahm er Schritte!
Schnelle Schritte. Hastige Schritte.
Ungestüm wie der brutale Takt einer Nähmaschine näherten sie sich. Gespenstisch wurde ihr Echo mehrfach von den umliegenden Hauswänden zurückgeschleudert; es machte den Eindruck, als komme eine Armee hinter ihm her. Es waren nur vier Personen, wusste er, doch sie waren vermutlich noch gefährlicher, als es eine ganze menschliche Armee gewesen wäre.
Er musste nicht Nostradamus sein, zu wissen, wer die Schritte verursachte.
Sein Atem wurde noch heftiger, unrhythmisch. Gleichzeitig blieb er ihm fast weg. Ein Anflug von Todesangst kroch wie eine Chimäre in Cesaro empor und schnürte ihm den Hals wie mit einem Silberdraht zu.
Erst jetzt bemerkte er, alles tat ihm weh. Jeder Knochen, jede Sehne und jeder Muskel schienen lichterloh zu brennen. Seine Seite und sein Zwerchfell schmerzten, als würden sie in Kürze platzen, um dann mit einem verhängnisvollen Domino-Effekt auch seine anderen inneren Organe mit in den Abgrund zu reißen.
Es war vorüber, es war vorbei. Aber noch nicht ganz.
Er wusste, er hatte verloren. In wenigen Momenten würde er seinen Verfolgern ausgeliefert sein.
Trotzdem bog er, vorbei an mehreren Mülltonnen und Schrott, in die nächstbeste Seitengasse ein. Nur auf gut Glück. Genauso gut hätte er auch stehen bleiben und seinem Schicksal ins Angesicht sehen können, doch jede Faser in dem jungen Gun-Man weigerte sich weiter vehement dagegen, das Unvermeidliche nonchalant hinzunehmen.
Schier bodenlos war die Rabenschwärze, von der er in der Gasse verschluckt wurde. Hier standen keine Laternen, nur deren dürftige Lichtfetzen von der Straße sorgten für ein wenig Helligkeit. Selbst der Mond hüllte sich in einen Mantel aus Finsternis. Hier und da entdeckte er die Umrisse von Sperrmüll, die die Anwohner hier für den morgigen Tag aufgestellt hatten, oder dieser Platz diente generell als Müllhalde.
Na toll!
Mühsam verkniff sich Cesaro einen Fluch, als er kapierte, heute Nacht schien sich wirklich alles und jedes gegen ihn verschworen zu haben. Seine Füße gaben abrupt ihre Autonomie auf und kamen zum Stillstand, gerade so, als habe ein Dämon sie mit unsichtbaren Klammern am Kopfsteinpflaster festgetuckert.
Eine Sackgasse!
Wäre er nur heute Morgen im Bett geblieben und hätte sich von dort aus RIO BRAVO angesehen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, sogar mehrmals hintereinander. Obwohl ein Six-Pack Bier und zwei Tüten Chips dazu nicht unbedingt verlockend waren - er hätte diesen schrecklich langweiligen Film-Tag liebend gern gegen diesen Alptraum getauscht.
Aber es hatte ja
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