Throne of Glass – Die Erwählte
war es nicht höflich von einem Prinzen, nur mit einer einzigen Dame zu tanzen, aber er konnte sich auf nichts anderes mehr konzentrieren als auf seine Partnerin und die Musik, die sie immer weitertrug.
»Ihr habt wirklich Ausdauer«, sagte sie. Wann hatten sie zuletzt gesprochen? Es konnte vor zehn Minuten oder vor einer Stunde gewesen sein. Die maskierten Gesichter um sie herum verschwammen ineinander.
»Während manche Eltern ihre Kinder schlagen, haben meine mich mit Tanzstunden bestraft.«
»Dann müsst Ihr ein sehr unartiger Junge gewesen sein.« Sie ließ ihren Blick über die Köpfe schweifen, als suchte sie etwas – oder jemanden.
»Ihr seid heute Abend sehr großzügig mit Euren Komplimenten.«Er wirbelte sie herum, dass die Röcke ihres Kleides im Licht des Kronleuchters glitzerten.
»Es ist Julfest«, sagte sie. »Am Julfest sind alle freundlich.« Er hätte schwören können, dass ein Anflug von Schmerz in ihrem Blick lag, aber bevor er sicher sein konnte, war er verschwunden.
Er fasste sie um die Hüfte, seine Füße bewegten sich im Walzertakt. »Und wie geht es Eurem Geschenk?«
»Oh, sie hat sich erst unter meinem Bett und dann im Speiseraum versteckt, wo ich sie dann gelassen habe.«
»Ihr habt die Hündin in Eurem Speiseraum eingeschlossen?«
»Hätte ich sie in meinem Schlafzimmer lassen sollen, wo sie die Teppiche ruinieren könnte? Oder im Spielzimmer, wo sie die Schachfiguren fressen und ersticken könnte?«
»Am besten hättet Ihr sie in den Zwinger bringen lassen.«
»Am Julfest? Niemals!«
Plötzlich überfiel ihn das Verlangen, sie zu küssen – sie fest auf den Mund zu küssen. Aber was er fühlte, würde niemals real werden können. Wenn der Ball vorbei war, wäre sie wieder eine Assassinin und er immer noch ein Prinz. Dorian schluckte schwer. Aber heute Abend …
Er zog sie näher an sich heran. Alle anderen verwandelten sich in bloße Schatten an der Wand.
~
Stirnrunzelnd sah Chaol seinen Freund mit der Assassinin tanzen. Er hätte sowieso nicht mit ihr getanzt. Nicht nachdem er gesehen hatte, welche Farbe Herzog Perringtons Gesicht bei ihrem Anblick angenommen hatte.
Ein Höfling namens Otho stellte sich zu Chaol. »Ich dachte, sie gehört zu Euch.«
»Wer? Lady Lillian?«
»So heißt sie also! Ich habe sie nie zuvor gesehen. Ist sie neu bei Hof?«
»Ja«, sagte Chaol. Morgen würde er ein Wörtchen mit ihren Wachen reden müssen; sie hätten Celaena heute Abend keinesfalls aus ihren Gemächern lassen dürfen. Hoffentlich war das Bedürfnis, seine Leute am Hals zu packen und mit den Köpfen aneinanderzustoßen, bis dahin verflogen.
»Und wie geht es Euch, Captain Westfall?«, fragte Otho und klopfte ihm eine Idee zu fest auf den Rücken. Sein Atem roch nach Wein. »Ihr esst nicht mehr mit uns zu Abend.«
»Ich esse seit drei Jahren nicht mehr an Eurem Tisch, Otho.«
»Ihr solltet zurückkommen – wir vermissen die Gespräche mit Euch.« Das war eine glatte Lüge. Otho wollte nur etwas über die fremde junge Dame in Erfahrung bringen. Sein Ruf als Schürzenjäger war im Schloss weitverbreitet – so weitverbreitet, dass er sich Hofdamen gleich bei ihrer Ankunft schnappen oder sich in Rifthold nach einer anderen Sorte Frauen umsehen musste.
Chaol beobachtete, wie Celaena sich in Dorians Armen nach hinten bog, wie ihre Lippen sich zu einem Lächeln öffneten und ihre Augen strahlten, als der Kronprinz etwas sagte. Selbst hinter der Maske konnte Chaol sehen, wie glücklich sie gerade war. »Gehört sie zu ihm ?«, fragte Otho.
»Lady Lillian gehört sich selbst und sonst niemandem.«
»Sie ist also nicht mit ihm zusammen?«
»Nein.«
Otho zuckte die Schultern. »Wie merkwürdig.«
»Warum?« Chaol hatte plötzlich das Bedürfnis, ihn zu würgen.
»Weil es aussieht, als wäre er in sie verliebt«, sagte er und ging weg.
Für einen Moment wurde Chaols Blick verschwommen. Dannlachte Celaena und Dorian starrte sie weiter an. Der Prinz hatte die Augen nicht für eine Sekunde von ihr abgewandt. Dorians Miene war voller – Freude? Staunen? Seine Schultern waren gerade, sein Rücken aufrecht. Er sah aus wie ein Mann. Wie ein König.
Das konnte unmöglich passiert sein; wann denn auch? Otho war betrunken und ein Frauenheld. Was wusste er von Liebe?
Dorian führte Celaena schnell und geschickt in eine Drehung, dann flog sie wieder in seine Arme. Aber sie war nicht in ihn verliebt – davon hatte Otho nichts gesagt. Er hatte auf ihrer Seite keine Zuneigung
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