Throne of Glass – Die Erwählte
Beim Anblick seiner braunen Zähne verkniff sich Celaena eine Grimasse. Sie musste natürlich gegen diesen widerlichen Typen kämpfen. Renault hatte wenigstens sauber ausgesehen.
»Wir werden in Kürze beginnen«, sagte der König. »Haltet Eure Waffen bereit.« Dann drehte er sich zu Perrington und sprach so leise zu ihm, dass niemand sonst seine Worte im tosenden Wind hören konnte.
Celaena wandte sich Chaol zu. Aber anstatt ihr das schlichte, einfache Schwert zu übergeben, das sie in den Übungsstunden benutzte, zog er seine eigene Waffe. Der Griff in Form des fliegenden Adlers funkelte in der Mittagssonne. »Hier«, sagte er.
Celaena betrachtete ungläubig das Schwert und hob langsam den Kopf. In seinen Augen sah sie die sanfte Hügellandschaft des Nordens. Sie sah eine Loyalität zu seinem Land, die über die zu dem Mann an diesem Tisch hinausging. Tief in ihrem Inneren spürte sie ein golden schimmerndes Band, das sie beide miteinander verband.
»Nehmt es«, sagte er.
Ihr Herz pochte in ihren Ohren. Sie hob die Hand, um nach dem Schwert zu greifen, aber jemand berührte sie am Ellbogen.
»Wenn ich darf«, sagte Nehemia auf Eyllwe, »möchte ich dir stattdessen das hier anbieten.« Die Prinzessin streckte ihr den wunderschön geschnitzten hölzernen Kampfstock mit der eisenverstärkten Spitze entgegen. Celaenas Blick wanderte zwischen Chaols Schwert und der Waffe ihrer Freundin hin und her. Das Schwert wäre bestimmt die weisere Entscheidung – und sie war seltsam aufgekratzt, weil Chaol ihr seine eigene Waffe angeboten hatte –, aber der Stock …
Nehemia beugte sich vor und flüsterte Celaena ins Ohr: »Möge es eine Eyllwe-Waffe sein, mit der du sie vernichtest.« Ihre Stimme versagte. »Möge Holz aus Eyllwes Wäldern über Adarlans Stahl siegen. Möge der Champion des Königs jemand sein, der das Leid der Unschuldigen versteht.«
Hatte Elena vor Monaten nicht beinahe das Gleiche gesagt? Celaena schluckte schwer und Chaol senkte sein Schwert und trat einen Schritt zurück. Nehemia sah Celaena unverwandt an.
Sie wusste, worum die Prinzessin sie bat. Als Champion des Königs konnte sie Wege finden, unzählige Leben zu retten – Wege, die Autorität des Königs zu untergraben.
Und genau das, begriff Celaena nun, würde auch Elena wollen, die Vorfahrin des Königs.
Beim Gedanken daran stieg eine Welle der Angst in ihr hoch. Widerstand gegen den König hatte sie für das Einzige gehalten, wozu sie niemals den Mut aufbringen würde, und doch konnte sie weder die drei Narben auf ihrem Rücken vergessen noch die Sklaven, die sie in Endovier zurückgelassen hatte, noch die fünfhundert abgeschlachteten Rebellen aus Eyllwe.
Celaena nahm den Stock aus Nehemias Händen. Die Prinzessin schenkte ihr ein grimmiges Lächeln.
Erstaunlicherweise erhob Chaol keinen Einspruch. Er steckte sein Schwert wieder in die Scheide und verneigte sich leicht vor Nehemia, die Celaena noch einmal auf die Schulter klopfte und sich dann zurückzog.
Celaena wog den Stock in den Händen und schwang ihn probehalber durch die Luft. Ausbalanciert, fest, stark. Mit der abgerundeten Eisenspitze konnte man einen Mann bewusstlos schlagen.
Der Griff der Waffe war dunkel von Nehemias Händen und das geschnitzte Holz verströmte den Lotusblütenduft ihrer Freundin. Ja, der Stock war gut. Den großmäuligen Verin hatte sie mit bloßen Händen fertiggemacht. Hiermit konnte sie Grave und Cain besiegen.
Sie warf einen Blick auf den König, der sich noch immer mit Perrington unterhielt, und bemerkte, dass Dorian sie ansah. In seinen saphirblauen Augen spiegelte sich der strahlende Himmel, obwohl sie sich bei einem Seitenblick auf Nehemia leicht verdüsterten. Dorian mochte alles Mögliche sein, aber er war nicht dumm. Hatte er die Symbolik in Nehemias Angebot erkannt? Schnell wich sie seinem Blick aus. Darüber würde sie sich später Gedanken machen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kreises lief Grave auf und ab. Er wartete darauf, dass der König seine Aufmerksamkeit wieder dem Zweikampf widmete und den Befehl gab zu beginnen.
Celaena atmete schaudernd aus. Hier stand sie nun endlich. Sie packte den Stock mit der linken Hand, ließ die Kraft des Holzes auf sich wirken – die Kraft ihrer Freundin. In den kommenden Minuten konnte viel geschehen. Danach würde alles anders sein.
Sie sah Chaol an. Der Wind zerrte ein paar Haarsträhnen aus ihrem Zopf und sie schob sie hinter die Ohren.
»Was auch immer geschieht«, sagte sie
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