Throne of Glass – Die Erwählte
Halle begleitet wurde, hielt sie es vor Neugierde kaum noch aus.
Ohne Chaol neben sich blieb sie an einer Säule stehen und beobachtete, wie ihre Mitbewerber von ihren Trainern und Wachen flankiert hereinmarschierten. Brullo war noch nicht da – ebenfalls seltsam. Und es waren weit mehr Wachen in der Halle als sonst.
»Was glaubst du, was hier los ist?«, fragte neben ihr Nox Owen, der junge Dieb aus Perranth. Nachdem er sich beim Üben einigermaßen geschickt angestellt hatte, war er von vielen der anderen Mitbewerber als Trainingspartner gesucht worden, aber bisher blieb er lieber allein.
»Captain Westfall hat heute Morgen nicht mit mir trainiert«, bemerkte sie. Was war schon dabei, das zuzugeben?
Nox streckte die Hand aus. »Nox Owen.«
»Ich weiß, wer du bist«, sagte sie, schüttelte die Hand aber trotzdem. Sein Griff war fest, die Hand schwielig und voller Narben. Er hatte in seinem Leben einige Kämpfe durchstehen müssen.
»Freut mich. Nachdem dieser ungeschlachte Rüpel sich in den letzten Tagen so wichtiggemacht hat, kam ich mir fast ein bisschen unsichtbar vor.« Er deutete mit dem Kinn auf Cain, der gerade seine hervortretenden Bizepse begutachtete. An seinem Finger schimmerte ein großer Ring mit einem schwarzen, schillernden Stein – seltsam, dass er ihn beim Üben trug. Nox sprach weiter. »Hast du Verin gesehen? Er sieht aus, als würde er gleich kotzen.« Er deutete auf den großmäuligen Dieb, dem Celaena am liebsten eine reingehauen hätte. Normalerweise hielt Verin sich in Cains Nähe auf und verhöhnte die anderen Champions. Aber heute stand er allein am Fenster, blass und mit großen Augen.
»Ich habe gehört, wie er mit Cain geredet hat«, ertönte eine zaghafte Stimme hinter ihnen und erst jetzt bemerkten sie Pelor neben sich, den jüngsten Assassinen. Celaena hatte Pelor einen halben Tag lang beobachtet – und während sie ihre Mittelmäßigkeit nur vortäuschte, konnte er das vieleTraining wirklich gebrauchen.
Ein Assassine, sieh an. Er ist noch nicht einmal im Stimmbruch. Wie ist der bloß hier gelandet?
»Und was haben sie gesagt?« Nox steckte die Hände in die Taschen. Seine Kleider waren nicht so schäbig wie die der anderenMitbewerber; allein die Tatsache, dass Celaena seinen Namen schon einmal gehört hatte, hieß, dass er in Perranth ein guter Dieb gewesen sein musste.
Pelors sommersprossiges Gesicht wurde eine Spur blasser. »Bill Chastain – der Augenfresser – ist heute Morgen mausetot aufgefunden worden.«
Ein Champion war tot? Noch dazu ein berüchtigter Mörder. »Was ist passiert?«, fragte sie.
Pelor schluckte. »Verin meinte, es war ziemlich unappetitlich. Jemand muss ihm den ganzen Bauch aufgeschlitzt haben. Er ist auf dem Weg hierher an der Leiche vorbeigekommen.« Nox fluchte leise und Celaena musterte die anderen Champions. Schweigen hatte sich ausgebreitet, sie standen in Grüppchen zusammen und flüsterten. Verins Geschichte hatte sich herumgesprochen. Pelor fügte hinzu: »Verin sagte, Chastains Körper war in Fetzen gerissen.«
Celaena lief es eiskalt den Rücken hinunter und sie schüttelte den Kopf, als nun eine Wache hereinkam. Brullo ließ ihnen ausrichten, sie hätten heute freie Hand in der Trainingshalle und sollten üben, was sie wollten. Celaena musste sich unbedingt von dem Bild ablenken, das sie vor ihrem inneren Auge sah, und so verabschiedete sie sich nicht einmal von Nox und Pelor, bevor sie zum Waffengestell ging und sich einen Gurt mit Wurfmessern holte.
Sie stellte sich vor den Zielscheiben auf. Kurz darauf gesellte sich Nox zu ihr und begann ebenfalls Messer auf eine Scheibe zu werfen. Er traf den zweiten Ring, kam aber nie weiter in die Mitte. Im Messerwerfen war er nicht annähernd so geschickt wie im Bogenschießen.
Celaena zog das erste Messer aus dem Gurt. Wer hatte einen der Champions so brutal getötet? Und wie hatte die Tat unbemerkt bleiben können, wo die Leiche doch in einem Flur lag? Im Schloss wimmelte es von Wachen. Ein Champion war tot, nur einen Tag vor ihrer ersten Prüfung; war das vielleicht der Anfang einer Serie?
Celaena konzentrierte sich auf den kleinen schwarzen Punkt in der Mitte der Zielscheibe. Sie atmete ruhig und langsam, als sie ihren Arm mit lockerem Handgelenk anwinkelte. Die Geräusche der anderen Champions traten in den Hintergrund. Das Schwarz in der Mitte der Zielscheibe lockte und mit dem Ausatmen ließ sie das Messer fliegen.
Es funkelte, eine Sternschnuppe aus Stahl. Sie lächelte
Weitere Kostenlose Bücher