Throne of Glass – Die Erwählte
Nehemia kam klatschend näher. Sie trug nicht wie sonst ein weißes Kleid, sondern eine dunkle Tunika und locker sitzende Hosen, und sie hielt einen reich verzierten hölzernen Kampfstock in der Hand.
Die Prinzessin griff der Assassinin an die Schulter und sagte etwas zu ihr, das sie zum Lachen brachte. Dorian sah sich um. Wo waren Chaol oder Brullo? Warum war Adarlans Assassinin hier allein mit der Prinzessin von Eyllwe? Und dann noch mit einem Schwert! Das ging nicht, vor allem nicht nach dem Fluchtversuch des anderen Champions.
Dorian trat auf sie zu und verneigte sich lächelnd vor der Prinzessin. Nehemia bedachte ihn nur mit einem kurzen Nicken. Nicht verwunderlich. Dorian nahm Celaenas Hand. Sie roch nach Schweiß und Metall, aber er küsste sie trotzdem und blickte dabei zu ihr auf. »Lady Lillian«, murmelte er dicht an ihrer Haut.
»Eure Hoheit«, sagte sie und versuchte, ihre schwielige Hand wegzuziehen. Aber Dorian hielt sie fest.
»Könnte ich Euch kurz sprechen?«, fragte er, und bevor sie zustimmenkonnte, hatte er sie schon rasch zur Seite geführt. »Wo ist Chaol?«, fragte er, sobald sie außer Hörweite waren.
Celaena verschränkte die Arme. »Spricht man etwa so mit seinem geliebten Champion?«
Dorian runzelte die Stirn. »Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht. Ich würde allerdings wetten, dass er entweder die Überreste des Augenfressers untersucht oder Svens Leichnam beseitigt. Übrigens hat Brullo mir erlaubt, hier nach dem Training noch so viel zu üben, wie ich will. Morgen ist nämlich die nächste Prüfung, falls Ihr es nicht wisst.«
Natürlich wusste er das. »Was macht Prinzessin Nehemia hier?«
»Sie wollte mich besuchen, und als Philippa ihr sagte, wo ich bin, bestand sie darauf, mir Gesellschaft zu leisten. Anscheinend hält sie es auch nicht lange ohne ein Schwert in der Hand aus.« Sie biss sich auf die Lippe.
»Ich habe Euch gar nicht so gesprächig in Erinnerung.«
»Hättet Ihr Euch etwas Zeit genommen, Euch mit mir zu unterhalten, hättet Ihr vielleicht einen anderen Eindruck gewonnen.«
Dorian schnaubte leise, ging aber zähneknirschend darauf ein. »Und wann hätte ich mich mit Euch unterhalten sollen?«
»Erinnert Ihr Euch möglicherweise, dass wir die Reise von Endovier hierher gemeinsam unternommen haben? Und dass ich nun seit zwei Wochen hier bin?«
»Ich habe Euch Bücher geschickt«, sagte er versöhnlich.
»Und habt Ihr je gefragt, ob ich sie gelesen habe?«
Hatte sie vergessen, wen sie vor sich hatte? »Einmal haben wir uns unterhalten, seit wir hier sind.«
Achselzuckend wollte Celaena sich wegdrehen. Verärgert, aber auch neugierig packte er sie am Arm. Mit einem Funkeln in ihren türkisblauen Augen starrte sie auf seine Hand und sein Herz schlugschneller, als sie dann zu ihm aufblickte. Ja, selbst so verschwitzt war sie wunderschön.
»Habt Ihr keine Angst vor mir?« Sie warf einen Blick auf seine Waffe. »Oder seid Ihr mit dem Schwert so gut wie Captain Westfall?«
Sein Griff wurde fester und er kam ihr noch näher. »Besser«, flüsterte er ihr ins Ohr. Tatsächlich: Sie wurde rot und kniff die Augen zusammen.
»Ich …«, setzte sie an, aber es war zu spät. Er hatte ihr kleines Wortgefecht gewonnen. Sie verschränkte die Arme. »Sehr witzig, Eure Hoheit.«
Er verneigte sich theatralisch. »Man tut, was man kann. Aber Prinzessin Nehemia kann nicht hier bei Euch bleiben.«
»Und warum nicht? Glaubt Ihr, ich wäre eine Gefahr für sie? Warum sollte ich die einzige Person in diesem Schloss umbringen, die nicht nur Schwachsinn von sich gibt?« Ihr Blick legte nahe, dass sie ihn selbst eindeutig zum großen Rest zählte. »Abgesehen davon, dass ihre Wachen mich töten würden, bevor ich nur die Hand erhebe.«
»Es geht einfach nicht. Sie soll hier unsere Sitten lernen, nicht das Kämpfen.«
»Sie ist eine Prinzessin. Sie kann tun und lassen, was sie will.«
»Und Ihr wollt sie also in Waffenkunde unterrichten?«
Celaena legte den Kopf schief. »Habt Ihr nicht doch ein kleines bisschen Angst vor mir?«
»Ich werde sie in ihre Gemächer zurückbegleiten.«
Mit einer ausholenden Armbewegung ließ die Assassinin ihm den Vortritt. »Möge Wyrd Euch helfen.«
Der Kronprinz fuhr sich durch das schwarze Haar und ging zu der Prinzessin, die wartend dastand, eine Hand an die Hüfte gelegt. »Eure Hoheit«, sagte Dorian und winkte ihre Leibwachenheran. »Ich fürchte, wir müssen Euch in Eure Gemächer zurückbringen.«
Die Prinzessin sah mit einer
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