Throne of Glass – Die Erwählte
von ihr fern, ob sie dein Champion ist oder nicht.«
»Erteil mir keine Befehle.«
»Es ist nur zu deiner Sicherheit.«
»Warum sollte sie mich umbringen? Ich glaube, sie lässt sich gern ein bisschen verwöhnen. Wenn sie bisher nicht versucht hat, zu fliehen oder jemanden zu töten, warum sollte sie jetzt damit anfangen?« Dorian klopfte seinem Freund auf die Schulter. »Du machst dir zu viele Gedanken.«
»Es ist mein Job, mir Gedanken zu machen.«
»Du wirst graue Haare bekommen, bevor du fünfundzwanzig bist, und dann wird Sardothien sich mit Sicherheit nicht in dich verlieben.«
»Was redest du da für einen Unsinn?«
»Wenn sie also doch zu fliehen versucht – natürlich nur rein theoretisch –, wird sie dir das Herz brechen. Dann musst du sie zur Strecke bringen, sie in den Kerker werfen oder töten.«
»Dorian, sie gefällt mir nicht.«
Der Prinz spürte den aufsteigenden Ärger seines Freundes und wechselte das Thema. »Was ist mit diesem toten Champion, dem Augenfresser? Schon eine Idee, wer das getan haben könnte oder warum?«
Chaols Augen verdüsterten sich. »Ich habe es mir die letzten Tage wieder und wieder angesehen. Der Körper wurde vollkommen zerstört.« Alle Farbe wich aus Chaols Gesicht. »Die Eingeweide sind herausgerissen worden und verschwunden, selbst das Gehirn fehlte. Ich habe deinem Vater eine Nachricht geschickt, in der Zwischenzeit ermittle ich weiter.«
»Ich wette, es war nur eine Schlägerei unter Betrunkenen«, sagte Dorian, obwohl er selbst in ziemlich viele Schlägereien verwickelt gewesen war und nie gehört hatte, dass dabei jemandem die Eingeweide herausgerissen worden wären. Ein Anflug von Angst machte sich in ihm breit. »Mein Vater ist wahrscheinlich froh darüber, dass er den Augenfresser los ist.«
»Das hoffe ich.«
Dorian grinste und legte dem Captain einen Arm über die Schulter. »Da du die Ermittlungen führst, ist die Sache bestimmt morgen schon aufgeklärt«, sagte er und schob seinen Freund in den Speisesaal.
20
C elaena klappte ihr Buch zu und seufzte. Was für ein schreckliches Ende. Sie stand vom Stuhl auf, unsicher, wo sie hinwollte, und verließ ihr Schlafzimmer. Eigentlich hätte sie sich gern bei Chaol für heute Nachmittag entschuldigt, aber so, wie er sich aufgeführt hatte … Sie schritt durch ihre Räume. Er hatte also Wichtigeres zu tun, als die berühmteste Verbrecherin der Welt zu bewachen? Sie war eigentlich nicht gern so verletzend, aber … hatte er es nicht verdient?
Sie hatte sich völlig lächerlich gemacht, als sie das mit dem Erbrechen erwähnt hatte. Und sie hatte ihm alle möglichen Schimpfwörter an den Kopf geworfen. Vertraute er ihr oder hasste er sie? Celaena betrachtete ihre Hände und merkte, dass sie die ganze Zeit an den Nägeln gekaut hatte. Wie hatte sie sich von der meistgefürchteten Gefangenen in Endovier in so ein albernes Nervenbündel verwandeln können?
Dabei hatte sie ganz andere Sorgen – etwa die Prüfung morgen. Und den ermordeten Champion. Sie hatte alle Türangeln so manipuliert, dass sie laut quietschten, sobald die Türen geöffnet wurden. Sobald jemand ihren Raum betrat, wüsste sie es. Und sie hatte ein paar Nähnadeln entwenden können und sie für einen behelfsmäßigen Mini-Spieß in ein Stück Seife gedrückt. Das war besser als nichts, besonders wenn der unbekannte Mörder an ChampionblutGeschmack gefunden hatte. Sie ließ die Arme sinken und schüttelte ihr Unbehagen ab. Dann ging sie in das Musik- und Spielzimmer. Billard oder Karten konnte sie allein nicht spielen, aber …
Celaena beäugte das Pianoforte. Früher hatte sie gespielt – oh, sie hatte es geliebt zu spielen, hatte Musik geliebt, die Art und Weise, wie Musik wehtun und zugleich heilen konnte, wie mit ihr alles möglich und alles groß und bedeutsam zu sein schien.
Vorsichtig, als würde sie sich einem Schlafenden nähern, ging Celaena zu dem großen Instrument. Als sie die Holzbank hervorzog, erschrak sie kurz bei dem lauten schabenden Geräusch und setzte sich dann. Sie klappte die schwere Abdeckung hoch und probierte mit den Füßen die Pedale aus. Nachdenklich betrachtete sie die glatten Tasten aus Elfenbein und dann die schwarzen Tasten, die wie Zahnlücken aussahen.
Früher war ihr Spiel gut gewesen – vielleicht sogar mehr als gut. Für Arobynn Hamel hatte sie immer spielen müssen, wenn sie sich gesehen hatten.
Ob Arobynn wusste, dass sie nicht mehr in den Minen war? Würde er versuchen, sie von hier zu
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