Thunderhead - Schlucht des Verderbens
auseinandergesetzt, als wir die Expedition planten.«
»Ist das ganz sicher?«
Nora nickte. »Die nächste Ansiedlung ist drei Tagesritte entfernt. Können wir Peter nicht mit den Pferden dort hinschaffen?«
Aragon blickte hinab zu Holroyd. »Das wäre sein Tod.«
Smithback und Black kamen zurück und brachten eine primitive Trage, die aus einem zwischen zwei langen Holzstangen befestigten Stück Segeltuch bestand. Vorsichtig legten sie Holroyds steifen Körper darauf und trugen ihn hinaus auf den Hauptplatz.
Aragon folgte ihnen mit seiner Ausrüstung. Er machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Als sie unter dem Felsüberhang heraustraten, spürte Nora einen kalten Tropfen auf ihrem Arm. Es hatte angefangen zu regnen.
Auf einmal ließ Holroyd ein ersticktes Husten hören. Seine geröteten Augen traten noch weiter aus ihren Höhlen hervor und blickten in Panik unruhig umher. Seine Muskeln krampften sich zusammen, und seine Lippen zitterten, als wolle er seinem weit aufgerissenen Mund mit Gewalt ein paar Worte entringen. Das Seil, mit dem Black und Smithback ihn an der Trage festgebunden hatten, spannte sich ächzend.
Aragon befahl, die Trage abzusetzen, und kniete sich neben Holroyd nieder, während er in einem seiner Säcke herumkramte. Schließlich holte er einen Endrotrachyaltubus hervor, an dessen einem Ende ein schwarzer Gummiball befestigt war.
Erstickte Worte kamen aus Holroyds Mund. »Ich habe versagt, Nora«, brachte er unter großer Anstrengung hervor.
»Das stimmt nicht, Peter«, sagte Nora und drückte ihm fest die Hand. »Ohne Sie hätten wir Quivira niemals gefunden.«
Peter rang nach weiteren Worten, aber Nora legte ihm sanft ihren Zeigefinger auf die Lippen. »Sparen Sie sich Ihre Kräfte, Peter«, flüsterte sie.
»Ich werde ihn jetzt intubieren«, erklärt Aragon, während er Holroyd sanft den Kopf nach hinten drückte. Dann schob er ihm den durchsichtigen Plastikschlauch in die Luftröhre und gab Nora den schwarzen Gummiball in die Hand. »Drücken Sie den alle fünf Sekunden«, sagte er, wobei er die Muschel seines Stethoskops auf Holroyds Brust setzte. Bewegungslos horchte er so mehrere Minuten lang. Ein Zittern lief durch Holroyds Körper, seine Augen verdrehten sich. Aragon richtete sich auf und begann mit einer Herzdruckmassage.
Wie in einem bösen Traum kauerte Nora neben Holroyd und blies ihm in regelmäßigen Abständen Luft in die Lungen. Der Regen wurde heftiger und lief ihr über Gesicht und Arme. Die einzigen Geräusche außer dem Platschen der Tropfen waren das Trommeln von Aragons Fäusten auf Holroyds Brust sowie das leise Seufzen des Blasebalgs.
Und dann war es vorbei. Aragon hörte mit der Herzmassage auf und sah Nora an. Sein schmerzhaft verzerrtes Gesicht glänzte von Regen und Schweiß. Er blickte kurz hinauf zum Himmel, bevor er sein Gesicht in den Händen vergrub. Peter Holroyd war tot.
39
E ine Stunde später hatte sich die ganze Expedition, inklusive Swire, schweigend um das Feuer versammelt. Obwohl es wieder aufgehört hatte zu regnen, standen immer noch dunkle, metallfarbene Wolken am Himmel, und in der Luft lag ein Geruch nach Feuchtigkeit und Ozon.
Alle waren sie noch wie betäubt von Holroyds Tod, der jeden Einzelnen von ihnen tieferschütterte. Nora litt darüber hinaus auch unter immensen Schuldgefühlen, denn schließlich war sie es gewesen, die Holroyd mit auf die Expedition genommen hatte. Unbewusst, das wurde ihr jetzt klar, hatte sie, um ihr Ziel zu erreichen, seine Gefühle für sie ausgenutzt. Peter, bitte, vergib mir, dachte sie, während sie hinüber zu dem verschlossenen Zelt blickte, in dem jetzt Holroyds Leiche lag.
Von allen Expeditionsteilnehmern ging nur Bonarotti seiner gewohnten Arbeit nach. Er legte eine luftgetrocknete Salami neben mehrere Laibe frisch gebackenen Brotes, die er auf seinem improvisierten Serviertisch aufgereiht hatte. Als ihm klar wurde, dass niemandem nach Essen zu Mute war, schlug er die Beine übereinander und zündete sich eine Zigarette an.
Nora befeuchtete sich mit der Zunge die Lippen. »Enrique«, sagte sie, mühsam um Fassung ringend. »Was können Sie uns über Peters Tod mitteilen?«
Aragon sah sie mit seinen unergründlichen schwarzen Augen an. »Nicht viel, fürchte ich. Ich bin nicht dafür ausgerüstet, eine Autopsie vorzunehmen. Meine Möglichkeiten, eine genaue Diagnose zu stellen, sind deshalb stark eingeschränkt. Aber ich habe Proben von seinem Blut, Speichel und Urin genommen, die ich
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