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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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Umhang fester um die Schultern und ging weiter. Trotz der Erzählungen seines Großvaters hatte er sich nicht klargemacht, welche körperliche Anstrengung der Priesterpfad ihm abverlangen würde. Nach dem fast senkrechten Anstieg in der verborgenen Felsspalte im Chilbah-Tal führte er in weiten, kompliziert verschlungenen Windungen über das Hochplateau, wo er sich viele Kilometer lang zwischen verkrüppelten Wacholdersträuchern durch trockene Bachbetten und über steile, kleine Felsspalten zog. Beiyoodzin zwang seine müden Beine zu einer schnelleren Gangart. Es war spät, vielleicht schon zu spät. Wer konnte wissen, was inzwischen im Tal von Quivira geschehen war oder womöglich gerade geschah?
    Plötzlich blieb Beiyoodzin stehen. In der Luft lag ein sonderbarer Geruch, eine Mischung aus feuchter Asche und noch etwas anderem, das ihm das Herz bis in den Hals hinauf schlagen ließ. Er starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit und versuchte, im Licht der immer wieder herabzuckenden Blitze die Umgebung etwas besser zu erkennen. Nachdem er vorsichtig ein paar Meter weitergegangen war, entdeckte er es: Halb verborgen unter einem überhängenden Felsen - wie er es sich gedacht hatte - befanden sich die Überreste einer kleinen Feuerstelle.
    Rasch und vorsichtig vergewisserte sich Beiyoodzin, ob er alleine war und die Wesen, die das Feuer entfacht hatten, auch wirklich nicht mehr da waren. Dann ging er in die Hocke und untersuchte die Asche. Er fand verkohlte Reste von Wurzeln und etwas, das ihm den Atem stocken ließ: Es war das schlaffe, verwelkte Blütenblatt einer Pflanze, das er nun vorsichtig in die Hand nahm und sich an die Nase hielt. Der Geruch, den es verströmte, bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen: Es war der selbst im halb verbrannten Zustand des Blattes noch deutlich wahrnehmbare Duft von Purpurwinden.
    Beiyoodzin stand auf und wischte sich aufgeregt die Hände an seiner feuchten Hose ab. Als Kind hatte er in seinem Dorf Nankoweap einmal etwas Schreckliches beobachtet: Ein sehr alter Mann, ein böser Mann, hatte eine verbotene Datura-Blüte zu sich genommen und war daraufhin in eine Art Raserei verfallen. Im Rausch hatte er mit einem Vielfachen seiner normalen Kraft auf alle, die sich ihm in den Weg stellten, eingeschlagen, und erst einem halben Dutzend jungen Männern war es gelungen, ihm Einhalt zu gebieten.
    Aber das hier war schlimmer, erheblich schlimmer sogar. Die Wesen, die er verfolgte, hatten die Datura-Pflanze auf die traditionelle Art und Weise zu sich genommen: zusammen mit magischen Pilzen, Früchten des Mescal-Kaktus und verbotenen Insekten. Damit konnte der böse Geist von ihnen Besitz ergreifen, ihren Gliedern enorme Kraft verleihen und eine mörderische Besessenheit in ihre Gehirne pflanzen. Mit dieser Mischung spürten sie keinen Schmerz, weder ihren eigenen noch den der anderen.
    Beiyoodzin kniete nieder und sprach ein kurzes, inbrünstiges Gebet hinaus in die Dunkelheit. Dann erhob er sich und machte sich rascher als zuvor wieder auf den Weg.

 
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    L uigi Bonarotti saß, mit dem Rücken an die Steinmauer gelehnt, antriebslos auf dem glatten Felsboden des Planetariums. Er stützte die Ellenbogen auf die angezogenen Knie und starrte hinaus in die Dunkelheit, die über dem Tal von Quivira lag. Nur ab und zu beleuchtete ein Blitz den dichten Vorhang aus Regen, der draußen vor dem Alkoven vom Himmel fiel. Es gab für Bonarotti keinen Grund mehr, die trockene Stadt zu verlassen. Genauer betrachtet, gab es auch keinen Grand mehr, überhaupt etwas zu tun, außer die nächsten paar Tage so bequem wie möglich zu verbringen.
    Eigentlich hätte Bonarotti viel enttäuschter sein müssen, als er es jetzt tatsächlich war. Anfangs — in den ersten Minuten nach seiner Erkenntnis, dass sich in dem geheimen Kiva anstatt des erhofften Goldes nur unzählige Tontöpfe befanden - war seine Bestürzung wahrhaftig überwältigend gewesen. Jetzt aber, als er am Rand der Stadt hockte, verspürte er nur die Schmerzen in seinen Knochen. Das Gold hätte ihm ja ohnehin nicht gehört, und er fragte sich, weshalb er eigentlich so geschuftet hatte und sich - was sonst gar nicht seine Art war - so sehr von der Begeisterung des Augenblicks hatte hinreißen lassen. Das Einzige, was er jetzt davon hatte, war dieses schwere Gefühl in all seinen Gliedern. Vor ein paar Minuten hatte er geglaubt, erst Schritte auf dem großen Platz und dann einen ärgerlichen Wortwechsel unten im Tal gehört zu

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