Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
mich erkennen«, sagte Alebin. Er war nervös wie selten zuvor. »Elfen erkennen sich untereinander.«
»Nicht, wenn du von mir getarnt wurdest.« Merlin zupfte Alebins Kleidung ein letztes Mal zurecht. Sie kennzeichnete ihn als einen der wenigen Wagemutigen, die die Wälder der wilden Völker zu durchqueren wagten, um Handel zu treiben. »Gandur wird dich niemals durchschauen – außer, du gibst ihm durch ein verräterisches Wort die Möglichkeit dazu.«
Der Zauberer verpasste ihm einen kräftigen, aufmunternden Hieb auf den Rücken. Alebin war entlassen, um den Grundstein für seinen künftigen Stammsitz zu legen.
»Ihr scheint es lustig zu haben!«, rief Alebin mit einer Vergnügtheit, die er keinesfalls empfand, als er aus dem Wald trat. »Darf ich da mit meinen Waren, die ich in nah und fern zusammengesammelt habe, noch einen draufsetzen?«
Es wurde ruhig, alle Blicke richteten sich auf ihn.
»Ein Händler?«, fragte ein schlaksiger Mann mit Silberblick. »Welch seltener Gast in diesen schlechten Zeiten …«
»Die Zeiten sind immer schlecht«, sagte Alebin glattzüngig, »und sie drohen noch schlechter zu werden.«
»Gut gesprochen.« Gandur drängte sich in den Vordergrund. Das Volk machte ihm bereitwillig Platz. »Woher kommst du, was hast du uns anzubieten?«
»In erster Linie meinen Durst«, antwortete Alebin – und erntete die ersten Lacher. »Er ist so groß, dass ich bereit bin, auf jeglichen Profit zu verzichten, wenn ihr ihn stillen könnt.«
»Daran erkenne ich den wahren Händler«, sagte Gandur. »Daran und an der geröteten Nase.«
Der Elf trat näher und betrachtete Alebin mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugierde. Seine Nüstern witterten, als könnte er einen Landsmann an dessen Ausdünstung erkennen. Nach nur wenigen Sekunden zog er sich sichtlich zufrieden einen Schritt zurück.
»Also schön, Krämer: Was hast du anzubieten, was hast du uns zu erzählen?«
Alebin atmete bemüht gleichmäßig und rief die Informationen ab, die ihm Merlin gegeben hatte. Händler galten neben den Druiden als die einzigen zuverlässigen Nachrichtenträger in diesen finsteren Tagen. »Die wilden Völker haben sich tiefer ins Landesinnere zurückgezogen; sie sind derzeit mit ihren eigenen Familienfehden beschäftigt. Auf den Meeren herrscht Ruhe. Doch das kann sich, wie ihr wisst, rasch wieder ändern.«
Die Männer nickten ernst. Sie waren sich ihrer exponierten Situation als Bewohner des schmalen, fruchtbaren Küstenstrichs vollauf bewusst, und sie mussten stets mit der Angst leben, von beiden Seiten her in die Zange genommen zu werden.
»Ich denke, dass ihr euch über die Herbst- und Wintermonate hinweg keine Sorgen machen müsst.«
»Und du, Händler?«, hakte Gandur hartnäckig nach. »Wohin führt dich deine Nase? Du bist neu in diesem Teil des Landes, nicht wahr?«
»Ich habe diese Route Pylchin dem Roten abgekauft. Er will sich einen gemütlichen Lebensabend in den sichereren Gebieten des Südens machen.«
»Damit ist die Frage nicht beantwortet, was dich hierher führt.«
»Man sagte mir, es gebe hier viel zu entdecken, was sich in meiner Heimat gut verkaufen ließe.«
»Zum Beispiel?«
»Medizin. Weisheiten. Fertigkeiten.«
»Möglicherweise hast du recht.« Gandur reichte ihm einen Kelch mit einem säuerlich riechenden Gebräu.
Tapfer nahm Alebin einen Schluck. Es schmeckte noch schlimmer, als es roch – aber es wärmte den Magen. »Danke für den freundlichen Empfang«, sagte er. »Wenn es euch nichts ausmacht, möchte ich den heutigen Abend genießen und das Geschäft Geschäft sein lassen. Morgen ist auch noch ein Tag, um euch über den Tisch zu ziehen.«
Die Männer lachten wieder, und diesmal klang es befreiter. Freundlicher.
»Dann komm mit«, sagte Gandur und nahm ihn am Arm. »Die Frauen bereiten sich seit Stunden auf die Festivitäten vor, und selbst die Sippen der Schamanen und Druiden werden aus ihren Schneckenhäusern hervorgekrochen kommen. Übrigens, wer ist dein Begleiter?« Neugierig blickte er zu Merlin, der an Alebins Karren lehnte und zu schlummern schien.
»Ein alter Mann, den ich auf dem Weg aufgelesen habe«, log der Elf kurz angebunden.
Auch Merlin war gut getarnt. Er hatte einen »Mantel der Unauffälligkeit« übergezogen, wie er es nannte. Gandurs Neugierde ließ rasch nach.
Eine Gruppe von Männern trat auf den kleinen Platz. Sie trugen Flöten, Rasseln und Schlaginstrumente. Ihnen folgte eine einzelne Frau. Sie verbarg ihre grobschlächtige
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