Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
bestimmten, wie zu verfahren war. Beide Male waren die Konsequenzen der Richtersprüche so ernsthaft und gravierend gewesen, dass kein Stein im Reich der Sidhe Crain auf dem anderen geblieben war.
»Ich habe
derzeit
nichts zu sagen«, begann Fanmór mit bedrohlich leiser Stimme. »Wann und ob ich mich offenbare, entscheide nur ich. Keiner von euch kann mich zwingen, Geheimnisse preiszugeben, die noch nicht reif sind, an die Ohren der Öffentlichkeit zu geraten.« Immer leiser wurden seine Worte. Zuletzt hatte selbst Pirx mit seinen guten Ohren Schwierigkeiten, sie zu verstehen. »Leicht dahingesagte Informationen können unserer Sache nur schaden; umso mehr, wenn sie vom König kommen.«
Es herrschte Totenstille in diesem Reich, das für den Tod und das Alter nur wenig übrig hatte. Nur die wenigsten der Anwesenden wirkten überzeugt. Regiatus, die Blaue Frau und auch der Grogoch trugen ihre Zweifel offen im Gesicht. Die Unsicherheit des Königs war weder zu überhören noch zu übersehen.
Der Corvide krempelte die weit geschnittenen Ärmel seines höfischen Gewandes hoch, wie er es immer tat, wenn er hochgradig nervös war. »Das ist mir zu wenig, Herr«, flüsterte er. »Bei allem nötigen Respekt – ich fühle mich verpflichtet …«
Plötzlich hallte der Alarmschrei eines Wach-Grendels durch das Schloss. Überall wurde das Getrappel kleiner und großer Füße laut und vom raffinierten Hörrohr-System des
Blätterrauschens
in den Thronsaal übertragen.
Konzentriert lauschte Fanmór dem Wispern der mitteilsamen Blätter, bevor er sich seinen Getreuen zuwandte.
»Es geschehen schreckliche Dinge in der Welt der Menschen«, sagte er, ganz Herrscher. Die Androhung eines Elfengerichts schien vergessen. »Wie ihr wisst, stehen unsere Truppen denen der Dunklen Königin in Land’s End gegenüber, an der Grenze zum Königreich Lyonesse. Die dort ansässigen Menschen und Touristen glaubten bislang, den Vorbereitungen zu einem Film beizuwohnen. Doch vor Kurzem …« Er schluckte laut und vernehmlich. »Vor Kurzem lancierte Bandorchu einen Angriff auf die Banngrenze rings um Lyonesse. Menschen sind zu Schaden gekommen, aber auch Elfen der Sidhe Crain. Es herrscht ein riesiges Durcheinander – und ich befürchte, es wird noch viel schlimmer werden. Wir müssen so rasch wie möglich eingreifen.«
Fanmór packte Graul, sein Schwert. »Es beginnt. Der letzte Kampf bricht über uns herein; ob wir es wollen oder nicht. Wir dürfen nicht länger zusehen, während Bandorchus marodierende Banden Unschuldige in die Kämpfe verwickeln. Augenblicklich müssen weitere Truppen nach Land’s End verlegt werden. Regiatus – du sorgst dafür.«
»Ja, Herr.« Der Corvide beugte seinen Hirschkopf, getreu wie immer. So als hätte die heftige Diskussion, die über das Schicksal Fanmórs entscheiden sollte, niemals stattgefunden. Regiatus ordnete sich unter und brachte die Kriegsmaschinerie der Sidhe Crain auf Touren.
»Seitdem ich die Verantwortung für dich Quälgeist übernommen habe, bemühe ich mich, dir deine vorlaute Art auszutreiben«, sagte Grog. »Aber du erscheinst mir lernresistent. Ich weiß, dass Pixies ein loses Mundwerk besitzen, und ich hatte schon genügend Erfahrungen mit deinen Vorfahren, um zu wissen, dass es mit dir nicht leicht sein würde. Aber du schlägst wahrlich alle.«
»Ist das jetzt gut oder schlecht?«, fragte Pirx.
Der Grogoch blieb stehen und sah ihn verdutzt an. Seine Hautfarbe wechselte von Zornrot zu Platzlila und wieder zurück.
Interessant. Dieses Farbschema kannte der Pixie noch nicht.
Grog holte tief Luft und pumpte sich auf wie ein Frosch – wie immer, bevor er zu einer mehrstündigen Schimpfkanonade ansetzte. Pirx machte sich so klein wie möglich und streckte die Igelsprossen abwehrbereit von sich. Er wusste nur zu gut, was ihn erwartete – und war umso überraschter, als das übliche Donnerwetter ausblieb. Üblich war nämlich ein Gebrüll, Geknurre und Gekeife, das seinesgleichen in der Elfenwelt suchte, in dessen Gefolge sich über Grogs Kopf tatsächlich winzige Regenwolken zusammenzogen und Blitze daraus hervorzuckten, die sich mit Vorliebe in der Knollennase des Grogochs entluden – was eine weitere Verschlechterung der Wetterlage nach sich zog. Der Grogoch gehörte zu den sanftmütigsten Elfen, aber sein Zorn gereichte selbst einem Riesen wie Fanmór zur Ehre.
»Es steckt zu wenig Qualität in dir«, sagte er nun. Seine Stimme war erschreckend ruhig. »Ich befürchte, dass ich
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