Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
eine Feststellung. König Fanmór stand da, seelenruhig, und blickte auf ihn herab. Pirx schüttelte sich vor Angst; ein oder zwei der spitzen
Igelsprossen
fielen ihm aus dem Rücken und klirrend zu Boden. Der Pixie sah sich um und suchte nach Mause-, Wichtel- oder Rattenlöchern, in denen er sich verkriechen und dem zu erwartenden Zorn seines Herrn entkommen konnte. Aber da war nichts, vermaledeit noch mal! Einer der Königslakaien musste sie allesamt verstopft haben; bald nachdem Pirx beim Naschen ertappt und gestolpert war und zu seinem Unglück einen Topf mit Erdbären-Honig über Fanmórs langem Haupthaar geleert hatte.
»Wir können nichts dafür!« brach es aus dem kleinen Wesen hervor. »Die anderen waren schuld.«
Verdammt! Warum war sein Mund stets schneller als sein Kopf? Warum konnten diese blöden, blöden Wörter nicht einfach dort bleiben, wo sie hingehörten, bis er sich überlegt hatte, ob er sie überhaupt verwenden sollte? Und warum, bei allen Stunkmorcheln, hatte der Grogoch ihn nicht zurückgehalten? Der war schließlich der Ältere, und er hatte die Pflicht, aufzupassen, dass Pirx keinen Unsinn anstellte.
»Wer sind die anderen?«, fragte Fanmór grollend. Er bückte sich zu ihm herab, packte ihn an der Mütze und hob ihn auf Augenhöhe hoch. Die Nase des Königs war größer als Pirxens Leib, sein Mund ein schrecklicher, dunkler Abgrund.
»Ihr habt da einen ziemlich fetten Mitesser auf der Wange hocken, Herr. Wenn Ihr erlaubt, kümmere ich mich um ihn …«
»Lass das!«, unterbrach Fanmór laut. »Red endlich, Bürschlein, wenn dir dein Leben lieb ist!«
Der Mitesser, der sich bereits in Panik so tief wie möglich in die königlichen Poren zurückgezogen hatte, atmete erleichtert durch, grinste und machte es sich wieder bequem. Diese drei bis vier Millimeter langen Geschöpfe waren landauf, landab eine gewaltige Plage – und hatten die Pixies als erbitterte Gegner.
»Es war der … der Getreue!«, gestand Pirx kreischend, bevor der König noch fester zudrücken und ihn zerquetschen konnte. »Grog und ich waren absolut Herr der Lage; wir unterstützten den Piraten Arun nach Leibeskräften und hatten diesen hässlichen Seedämon faktisch schon in der Tasche, haha, als dieser
Luderlott
auftauchte, seinen weiten, wulligen, wallenden W… Mantel über die Prinzessin fallen ließ und sie mit sich nahm. Ich schwör’s Euch, König, ich habe gekämpft wie ein waidwunder Ankh-Morph! Ich schoss meine Stacheln ab, ich verfluchte ihn, ich zog die bösartigsten magischen Sprüche aus meinem Talon. Ich hab ihn dort getreten, wo’s am meisten wehtut – an der großen Zehe –, ich hab … ich hab …« Erschöpft atmete Pirx durch und dachte nach. Hatte er noch weitere halbwegs glaubwürdige Lügengeschichten auf Lager?
»Es ist genug«, bestimmte der König. Geistesabwesend ließ er den Pixie auf eine Kommode plumpsen. Als er weitersprach, klang seine Stimme traurig und schwach. »Ich hätte es wissen sollen. Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte ich meine Tochter mit einem senilen Grogoch und einem nichtsnutzigen, bloß einen Fuß großen Pixie auf abenteuerliche Reise ins Reich der Menschen entlassen?«
»Ich bin größer als ein Fuß!«, empörte sich Pirx schrill. »Ich messe fast eineinzehntel Fuß – noch mehr, wenn ich die aufgepolsterten Nussschalenschuhe trage!« Kaum, dass er das letzte Wort ausgesprochen hatte, schlug er sich die Hände vor den Mund.
Dummer, dummer Pixie! Halt doch endlich mal dein großes Maul!
Fanmór sah ihn düster an. In den dunklen, tief in den Höhlen liegenden Augen, die unter anderen Umständen so viel Furcht in Pirx erzeugten, bildeten sich kleine Seen. Sie drohten über die Ufer zu treten. »Glaubst du etwa, mich mit deinen Witzchen aufheitern zu können?«, fragte der König der Sidhe Crain, und es klang unendlich traurig. »Hast du noch immer nicht begriffen, was mir der Getreue angetan hat?«
»Verzeiht ihm, Herr.« Grogs tiefe Stimme hörte sich an, als rieben zwei Mahlsteine aneinander. »Pirx ist ein unnützes, dummes Geschöpf. Er weiß nicht, was er sagt. Wenn Ihr erlaubt, nehme ich ihn mir zur Brust und lese ihm die Leviten.«
Er hob einen seiner knorpeligen, kräftigen Arme. Sie konnten mächtig Schmerz bereiten, wie der Pixie wusste, und tanzten mit Vorliebe über seinen verlängerten Rücken; dort, wo kaum Igelsprossen wuchsen, die er zur Verteidigung hätte verwenden können.
»Er soll hierbleiben«, widersprach Fanmór, der sich
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