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Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre

Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre

Titel: Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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unsere Freunde vom Morddezernat haben die Leiche hier im Kofferraum des Studebakers gefunden.«
    »Ist sie schon identifiziert?«
    »Noch nicht. Aber sehen Sie sich mal das an.«
    Er deutete auf eine Schale aus Edelstahl mit den Habseligkeiten des Toten. Ich sah sie mir genauer an: ein halber Bleistift, eine unbezahlte Rechnung über das Stärken mehrerer Kragen und ein Brief von seiner Mutter, datiert vom 5. Juni 1843.
    »Können wir unter vier Augen miteinander sprechen?« fragte ich.
    Victor begleitete mich auf den Flur.
    »Das ist Mr. Quaverley«, erklärte ich.
    »Wer?«
    Ich wiederholte, was ich von Dr. Spoon erfahren hatte. Victor schien nicht im mindesten erstaunt.
    »Ich habe mir schon gedacht, daß er aus einem Buch stammt«, sagte er schließlich.
    »Wollen Sie damit sagen, daß so etwas schon mal vorgekommen ist?«
    »Haben Sie
Der Widerspenstigen Zähmung
gelesen?«
    »Logisch.«
    »Na, dann erinnern Sie sich doch bestimmt auch an den betrunkenen Kesselflicker im Vorspiel, dem sie vorgaukeln, er sei der Lord, für den sie das Stück aufführen?«
    »Aber sicher«, antwortete ich. »Er hieß Christopher Sly. Er hat ein paar Zeilen Text am Ende des ersten Aktes, und danach verschwindet er auf Nimmerwiedersehen …«
    Ich verstummte.
    »Genau«, sagte Victor. »Vor sechs Jahren wurde bei Warwick ein orientierungslos herumirrender, ungebildeter Säufer aufgegriffen, der nur elisabethanisches Englisch sprach. Er gab sich als Christopher Sly aus, verlangte einen Drink und wollte wissen, wie das Stück denn ausgegangen sei. Ich konnte ihn eine halbe Stunde verhören, und in dieser Zeit hat er mich davon überzeugt, daß er die Wahrheit sagte – trotzdem war ihm nicht beizubringen, daß er nicht mehr in seinem Stück war.«
    »Was ist aus ihm geworden?«
    »Das weiß niemand. Kurz nachdem ich mit ihm gesprochen hatte, wurde er von zwei anonymen Agenten verhört. Ich habe noch versucht herauszufinden, was danach geschah, aber Sie wissen ja, wie verschwiegen SpecOps manchmal ist.«
    Ich dachte an mein Kindheitserlebnis in Haworth.
    »Und umgekehrt?«
    Victor sah mich scharf an.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Haben Sie schon mal davon gehört, daß jemand dasselbe in der anderen Richtung versucht hätte?«
    Victor blickte zu Boden und rieb sich die Nase. »Das ist aber ziemlich radikal, Thursday.«
    »Aber Sie halten es grundsätzlich für möglich?«
    »Behalten Sie das bitte für sich, Thursday, aber ich glaube schon. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sind keineswegs so fest, wie es scheint. Sie sind so ähnlich wie ein zugefrorener See. Hunderte von Menschen können gefahrlos darübergehen, bis sich eines Abends eine dünne Stelle bildet und jemand durchbricht; am nächsten Morgen ist das Loch wieder zugefroren. Haben Sie Dickens’
Dombey und Sohn
gelesen?«
    »Logisch.«
    »Erinnern Sie sich noch an Mr. Glubb?«
    »Den Fischer aus Brighton?«
    »Genau.
Dombey
wurde 1848 vollendet und 1851 gründlich überarbeitet und mit einem Personenregister versehen. Darin taucht Mr. Glubb nicht auf.«
    »Ein Versehen?«
    »Möglich. 1926 verschwand ein Sammler antiquarischer Bücher bei der Lektüre von
Dombey und Sohn
. Der Vorfall fand ein breites Presseecho, weil sein Sekretär steif und fest behauptete, Bulge habe sich vor seinen Augen ›in Rauch aufgelöst‹.«
    »Und Glubbs Beschreibung paßt auf Bulge?«
    »Weitestgehend. Bulge sammelte Bücher über das Meer, und genau davon handeln Glubbs Geschichten. Rückwärts liest sich Bulges Name ›Eglub‹, was ›Glubb‹ so nahe kommt, daß man meinen könnte, Bulge habe ihn sich selbst ausgedacht.« Er seufzte. »Sie finden das wahrscheinlich ziemlich unglaubwürdig?«
    »Ganz und gar nicht«, widersprach ich und dachte an meine Erlebnisse mit Rochester, »aber sind Sie wirklich sicher, daß Bulge
gefallen
ist?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er könnte ja in das Buch auch vorsätzlich hineingesprungen sein. Und dann hat es ihm in dem Roman so gut gefallen, daß er einfach dortgeblieben ist.«
    Victor blickte mich argwöhnisch an. Aus Angst, für einen Spinner gehalten zu werden, hatte er es nicht gewagt, jemandem von seiner Theorie zu erzählen, und nun kam auf einmal eine Londoner Literatur-Agentin daher, kaum halb so alt wie er, und ging weiter, als er es sich je hätte vorstellen können. Da traf ihn die Erkenntnis.
    »Sie haben es selbst schon mal gemacht, stimmt’s?«
    Ich sah ihm fest in die Augen. Für so etwas konnten wir beide vom Dienst suspendiert

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