Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre
zerstören. Ich habe dir doch erzählt, daß dieser Wahnsinnige
Mr. Quaverley
aus dem Buch geholt und ermordet hat. Dabei hätte er es bestimmt nicht belassen. Wer wäre wohl als nächstes an der Reihe gewesen? Mrs. Gamp? Mr. Pecksniff? Martin Chuzzlewit selbst? Ich habe der Welt vermutlich einen Gefallen getan.«
»Und die Verbrennung des Manuskripts macht dem ein Ende?«
»Natürlich; ohne Originalmanuskript keine Massenzerstörung.« Sie drückte seine Hand, als ein Schatten auf die beiden fiel.
»Die Zeit ist um«, sagte Felix 8 .
Mit meinen Vorhersagen zu Acherons Machenschaften hatte ich zugleich richtig
und
falsch gelegen. Wie Mycroft mir später erzählte, war Hades außer sich vor Wut, als er feststellte, daß niemand ihn ernst genommen hatte, aber Mycrofts Vernichtung des
Chuzzlewit
-
Manuskripts fand er geradezu witzig. Obwohl er es nicht gewohnt war, hinters Licht geführt zu werden, schien er die ungewohnte Erfahrung fast zu genießen. Statt ihm die Glieder einzeln auszureißen, wie Mycroft befürchtet hatte, schüttelte Acheron ihm die Hand.
»Gratuliere, Mr. Next«, sagte er lächelnd, »zu Ihrer ebenso tapferen wie einfallsreichen Tat. Tapfer, einfallsreich, aber leider völlig zwecklos. Meine Wahl ist nämlich keineswegs zufällig auf
Chuzzlewit
gefallen.«
»Ach nein?« entgegnete Mycroft scharf.
»Nein. Ich mußte das Buch in der Schule lesen und habe das Scheißding aus tiefstem Herzen gehaßt. Diese endlosen, moralinsauren Suaden über Selbstsucht und Egoismus. Ich finde
Chuzzlewit
nur unwesentlich spannender als
Unser gemeinsamer Freund.
Selbst wenn die Übergabe glattgegangen wäre, hätte ich ihn umgebracht, und zwar mit dem allergrößten Vergnügen.«
Er hielt inne, lächelte Mycroft an und fuhr dann fort: »Dank Ihres mutigen Eingreifens kann Martin Chuzzlewit seine Abenteuer fortsetzen. Mrs. Todgers’ Pension wird nicht niederbrennen, und sie können ihr langweiliges Leben ungestört fortsetzen.«
»Das freut mich«, sagte Mycroft.
»Sparen Sie sich Ihre Gefühle, Mr. Next, ich bin noch nicht fertig. Ihretwegen werde ich mich nach einer gangbaren Alternative umsehen müssen. Nach einem Buch, das im Unterschied zum
Chuzzlewit
echte literarische Qualitäten aufweist.«
»Doch nicht etwa
Große Erwartungen?
«
Acheron blickte ihn mitleidig an. »Dickens ist abgehakt, Mr. Next. Wie gern hätte ich mich in
Hamlet
eingeschlichen und diesen depressiven Dänenprinzen erwürgt, oder gleich in
Romeo und Julia,
um diesen kleinen Scheißer aus Verona endlich verschwinden zu lassen.« Er seufzte, bevor er weitersprach. »Aber leider ist ja keins von Shakespeares Originalmanuskripten erhalten.« Er dachte einen Augenblick nach. »Aber die Bennetts könnten eventuell auf das eine oder andere Familienmitglied verzichten …«
»
Stolz und Vorurteil
?« brüllte Mycroft. »Sie herzloses Ungeheuer!«
»Mit Schmeicheleien kommen Sie bei mir nicht weit, Mycroft. Ohne Darcy und Elizabeth wäre
Stolz und Vorurteil
doch ziemlich fad, oder? Aber Austen ist vielleicht nicht ganz das richtige. Wie wär’s mit Trollope? Eine geschickt plazierte Nagelbombe in Barchester wäre bestimmt lustig. Der Verlust von Mr. Crawley würde ohne Zweifel hohe Wellen schlagen. Wie Sie sehen, mein lieber Mycroft, könnte sich die Rettung Mr. Chuzzlewits im nachhinein als äußerst töricht erweisen.«
Lächelnd wandte er sich an Felix 8 : »Mein Freund, warum ziehen Sie nicht einige Erkundigungen zu Umfang und Verbleib der Manuskripte ein?«
Felix 8 blieb kühl: »Ich bin nicht Ihr Sekretär, Sir. Ich finde, Mister Hobbes wäre für diese Aufgabe wesentlich besser geeignet.«
Acheron runzelte die Stirn. Von allen Felixen hatte nur Felix 3 es je gewagt, einen direkten Befehl zu verweigern. Bald darauf hatte er den Armen aufgrund einer überaus enttäuschenden Leistung anläßlich eines mißlungenen Überfalls exekutieren müssen. Aber das war Acherons eigene Schuld; um Felix 3 etwas mehr Persönlichkeit zu geben, hatte er ihm einen Hauch von Moral gelassen. Seither waren ihm sämtliche Felixe nur mehr treue Diener; wenn er intellektueller Stimulanz bedurfte, hielt er sich an Hobbes und Dr. Müller.
»Hobbes!« schrie Hades aus vollem Hals. Der arbeitslose Schauspieler kam mit einem großen Holzlöffel in der Hand aus der Küche gelaufen.
»Ja, Herr?«
Acheron wiederholte seinen Befehl, und Hobbes zog sich mit einer tiefen Verbeugung zurück.
»Felix 8 !«
»Sir?«
»Wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe macht,
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