Thursday Next 02 - In einem anderen Buch
Havisham ungnädig. »Wir setzen jedenfalls Schädlingsbekämpfer gegen sie ein.«
»Gegen die Adjektive oder gegen die Grammasiten?« fragte ich.
»Gegen die Grammasiten natürlich! Na ja, bei Dickens sind bisher noch nicht so viele aufgetaucht, dass ernsthafter Schaden entstehen könnte.«
»Wie bewegen sie sich denn von Buch zu Buch?« fragte ich.
»Sie sickern einfach durch die Buchdeckel. Man könnte es als Osmose bezeichnen. Das ist einer Gründe, warum die einzelnen Regale in der Bibliothek nie mehr als anderthalb Meter lang sind. Ich kann dir nur raten, das zu Hause auch zu beachten. Ich habe schon erlebt, dass Grammasiten eine ganze Bibliothek kahlgefressen haben. Am Ende waren nur noch unverdauliche Substantive und die Seitenzahlen übrig. Hast du schon mal
Tristram Shandy
gelesen?«
»Ja.«
»Grammasiten.«
»Ich muss noch viel lernen«, sagte ich leise.
»Da bin ich ganz deiner Meinung«, sagte Miss Havisham. »Ich habe dem Kater schon mehrfach gesagt, er soll unseren Jurisfiktion-Führer erweitern und in die Neuauflage auch ein Bestiarium aufnehmen, aber er hat natürlich eine Menge zu tun und mit den Pfoten die Feder zu halten ist ziemlich anstrengend. Komm, ich habe genug von dem Nebel. Lass uns mal richtig aufdrehen!«
Als wir genügend Abstand von dem Gefängnisschiff hatten, ließ Miss Havisham die Motoren aufheulen. Wir schossen davon. Aber obwohl sie den Kompass fest im Auge hatte, saßen wir schon nach wenigen Metern im Schlamm fest.
»Woher kennen Sie Sergeant Wade?« fragte ich, während ich uns mühsam mit dem Bootshaken wieder ins tiefere Wasser zu stoßen versuchte.
»Ich bin die Jurisfiktion-Beauftragte für
Große Erwartungen«,
sagte sie. »Da ist es meine Aufgabe, die Leute zu kennen. Und wenn es ein Problem gibt, sind sie verpflichtet, es mir zu melden.«
»Haben alle Bücher einen Jurisfiktion-Beauftragen?«
»Alle, die bisher unter Kontrolle gebracht worden sind.«
Der Nebel hob sich die ganze Nacht nicht, und wir kamen zwischen den Schlammbänken und den vor Anker liegenden Booten nur mühsam voran. Erst in der Morgendämmerung konnte Miss Havisham die Geschwindigkeit auf mäßige zehn Knoten erhöhen.
Nach unserer Rückkehr an den Bootssteg bestand sie darauf, dass ich uns in ihr Zimmer in Satis House lesen sollte, was mir auch auf Anhieb gelang und die Pleite mit dem Frontispiz in meinen Augen fast wieder wettmachte. Ich steckte ein paar Kerzen an und brachte meine Lehrerin zu Bett, ehe ich mich allein auf den Rückweg zum Magazin machte. Ich hatte auf Wemmicks Verlangen bereits die zweite Hälfte der Reiseabrechnung und das Formular wegen des fehlenden Rettungsrings ausgefüllt und wollte mich schon auf den Heimweg machen, als plötzlich ein sehr zerkratzter und angeschlagener Harris Tweed zur Tür hereinstolperte. Sein Tropenanzug war zerrissen, er hatte einen Stiefel und den größten Teil der Ausrüstung eingebüßt. Wie es schien, war seine Expedition in die
Vergessene Welt
nicht allzu glücklich verlaufen.
Er fing meinen Blick auf, zeigte mit dem Finger auf mich und knurrte: »Sagen Sie ja nichts! Kein Wort, bitte!«
Pickwick war noch wach, als ich in die Küche kam, obwohl es schon fast sechs Uhr morgens war. Auf meinem Anrufbeantworter waren zwei Nachrichten. Eine von Cordelia, und eine von einer sehr wütenden Cordelia.
27. Ach, Landen!
George Formby wurde im Jahre 1904 unter dem Namen George Hoy Booth in Wigan geboren. Er folgte seinem Vater ins Showgeschäft und machte die Ukulele zu seinem Wahrzeichen. Als der Krieg ausbrach, war er ein Star des Varietes, des Films und der Pantomime. In den ersten Kriegsjahren tourten er und seine Frau Beryl unermüdlich im Auftrag der Truppenbetreuung und machten außerdem zahlreiche, höchst erfolgreiche Filme. 1942 standen er und Gracie Fields an der Spitze der Unterhaltungskünstler in England.
Als erkennbar wurde, dass eine Invasion des Landes durch die Deutschen nicht mehr abzuwenden sein würde, wurden viele Würdenträger und Prominente nach Kanada evakuiert. George und Beryl dagegen beschlossen zu bleiben und den Kampf »bis zur letzten Kugel am Ende von Wigan Pier« fortzusetzen. Wie die anderen Mitglieder der englischen Widerstandsbewegung und die tapferen Regimenter der Heimwehr ging er in den Untergrund und arbeitete beim verbotenen »Radio St. George«, wo er nicht nur Lieder und Witze, sondern auch geheime Botschaften für die im Land versteckten Widerstandskämpfer in den Äther hinausschickte.
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