Thursday Next 02 - In einem anderen Buch
Gewebsprobe, die mein Vater mir gegeben hatte. Beigelegt war ein Bericht von unserem gerichtsmedizinischen Institut.
»Zucker, tierisches Eiweiß, Calcium, Natrium, Maltodextrin«, las ich, »Carboxy-Methyl-Zellulose, Phenylalanin, komplexe Kohlenwasserstoffverbindungen und Spuren von Chlorophyll.«
Ich blätterte weiter, aber ich begriff kein Wort. Die Gerichtsmediziner hatten meiner Bitte um eine Untersuchung zuverlässig entsprochen, aber es nutzte mir gar nichts.
»Was bedeutet das, Bowden?«
»Weiß ich auch nicht, Thursday. Sie versuchen offenbar, die Gewebsprobe mit bekannten chemischen Verbindungen zu vergleichen, aber sie haben noch nichts Genaues feststellen können. Vielleicht könnten Sie uns ja sagen, wo Sie es herhaben?«
»Ich glaube nicht, dass das gut wäre. Ich werde den
Carde-
nio-Bericht bei Volescamper vorbeibringen. Ich möchte nicht noch mehr Zeit mit Cordelia vertrödeln. Sagen Sie den Labormäusen, dass die Zukunft des Planeten von ihnen abhängt, vielleicht bringt sie das ein bisschen auf Trab. Ich muss unbedingt wissen, was das für ein rosa Zeug ist.«
In der Eingangshalle sah ich Cordelia mit ihren beiden Gästen, die auf mich warteten. Zu ihrem Unglück war Spike Stoker gerade vorbeigekommen, und jetzt mussten sie sich seine Vampir- und Horrorgeschichten anhören. Ich versteckte mein Gesicht hinter dem
Cardenio-Bericht
und flüchtete durch die Tür.
Vole Towers war immer noch ziemlich verfallen, aber es herrschte rege Betriebsamkeit, als ich dort ankam. Das alte Herrenhaus wurde von sämtlichen Nachrichtensendern, Tageszeitungsreportern und Fotografen belagert, die irgendwie abkömmlich waren. Alle wollten auch noch das kleinste Detail über die Entdeckung des Cardenio-Manuskripts wissen. Auf dem unkrautüberwucherten Kiesweg parkten gleich mehrere große Aufnahmewagen des Fernsehens. Dutzende von Antennen waren in den Himmel gerichtet und sendeten ihre Bilder zu dem kleinen Luftschiff hinauf, das als Relaisstation über dem Schloss schwebte und die Geschichte live in die Welt hinausschickte. SpecOps-14 musste als Sicherheitsdienst herhalten. Überall standen Kollegen herum und schwatzten gelangweilt, allerdings, wie ich zugeben muss, meistens über die unzüchtigen Bilder von Aubrey Jambe und seinem Schimpansen.
»Hallo, Thursday!« sagte ein gutaussehender junger Spec- Ops-14-Agent, der den Eingang bewachte. Peinlicherweise hatte ich keine Ahnung, woher er mich kannte. Vom Fernsehen? Oder steckte mehr dahinter? Seit Landen genichtet worden war, passierte es dauernd, dass mich Leute freundschaftlich anredeten, die mir völlig unbekannt schienen. Ich musste mich wohl daran gewöhnen.
»Hallo!« sagte ich zu dem niedlichen Fremdling. »Was ist denn hier los?«
»Yorrick Kaine gibt eine Pressekonferenz.«
»Ach«, sagte ich, plötzlich misstrauisch geworden. »Was hat der denn mit
Cardenio
zu tun?«
»Ja, hast du das denn noch nicht gehört? Lord Volescamper hat ihm das Stück geschenkt. Ihm und seiner Partei.«
»Aber warum sollte er so etwas tun?« fragte ich entsetzt, denn ich ahnte, was für ein scheußlicher politischer Skandal uns bevorstand. »Warum sollte sich ein angesehener Mann wie Lord Volescamper mit einem rechtsradikalen Trommler, Kriegstreiber und Waliserfresser wie Kaine und seiner Whig-Partei einlassen?«
Der SpecOps-14-Agent zuckte die Achseln. »Weil er ein Adliger ist und seine alten Privilegien zurückhaben will? Leibeigenschaft?
Ius primae noctis?«
In diesem Augenblick kamen zwei andere SpecOps-Leute aus dem Haus und nickten dem jungen Mann zu. »Alles in Ordnung, Miles?«
Das bestätigte er. Aber was mich betraf, so irrte er sich gewaltig. Für mich war überhaupt nichts in Ordnung. Das also war der bewusste Miles Hawke! Ich hatte zwar geahnt, dass ich ihm irgendwann über den Weg laufen würde, aber ich hatte nicht gedacht, dass ich so
unvorbereitet
sein würde. Ich starrte ihn an, in der verzweifelten Hoffnung, dass mein Schrecken und meine Überraschung sich nicht äußerlich zeigten. Der Kerl war in meiner Wohnung gewesen, kannte mich vielleicht in- und auswendig und wusste sehr viel mehr über mich als ich über ihn. Mein Herz schlug wie rasend in meiner Brust. Ich versuchte irgendwas Witziges und Intelligentes zu sagen, aber was herauskam, klang mehr wie:
»Asterfobulongus?«
Er sah verwirrt aus und beugte sich leicht nach vorn. »Entschuldigung, was hast du gerade gesagt?«
»Ach, nichts.«
»Du warst am Telefon schon so komisch.
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