Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte
ändern?«
»Änderungen ohne Erlaubnis?« sagte er voller Entsetzen. »Das wäre ja Meuterei. Ich will zwar, dass sich der Gattungs-Rat mit uns beschäftigt, aber nicht so! Der Aufstand würde sofort niedergeschlagen, und wir wären schon nach wenigen Seiten erledigt.«
»Aber wenn die Prüfungskommission noch gar nicht da war«, sagte ich langsam, »dann würden sie ja gar nicht wissen, dass etwas anders ist.«
Er dachte einen Augenblick nach. »Leichter gesagt als getan - wenn ich anfange, an der Handlung zu drehen, bricht womöglich alles wie ein Kartenhaus zusammen.«
»Dann fangen Sie doch mit kleinen Veränderungen an. Ändern Sie erst mal sich selbst. Wenn das funktioniert, können Sie damit beginnen, die Handlung zu biegen.«
»Mmmh«, sagte Jack langsam. »Woran hatten Sie denn gedacht?«
»Wie wär's, wenn Sie aufhören zu saufen?«
»Woher wissen Sie von meinem Alkoholproblem?«
»Weil alle eigenwilligen, einsamen Detektive mit Eheproblemen auch saufen. Hören Sie mit dem Schnaps auf, und gehen Sie nach Hause zu Ihrer Frau.«
»Aber so bin ich doch nicht geschrieben«, sagte Jack langsam. »Das kann ich nicht machen - das würde nicht meinem Charakter entsprechen - die Leser - ich -«
»Jack, es gibt keine Leser. Und wenn Sie es nicht wenigstens versuchen, wird es nie welche geben - und bald auch keinen Jack Spratt mehr. Aber wenn es klappt, gibt es vielleicht sogar ... eine Fortsetzung.«
»Eine Fortsetzung?« Ein träumerischer Gesichtsausdruck erschien auf seinem Gesicht. »Sie meinen, es könnte eine Jack-
Spratt-Serie
geben?«
»Wer weiß« - ich zuckte die Achseln - »vielleicht gibt es sogar mal eine Kassettenausgabe.«
Seine Augen begannen zu glänzen, und er stand auf. »Eine Kassettenausgabe«, flüsterte er und starrte ins Leere. »Es hängt alles von mir ab, nicht wahr?«
»Ja. Ändern Sie sich selbst, ändern Sie den Roman - und wenn die Prüfung kommt, ist
Caversham Heights
ein Buch, das die Kommission gar nicht mehr aus der Hand legen will!«
»Okay«, sagte er schließlich. »Gleich im nächsten Kapitel fangen wir an. Statt mit Briggs darüber zu streiten, dass wir einen Verdächtigen wieder laufen lassen, werde ich meine Ex zum Essen ausführen.«
»Nein.«
»Wieso nicht?«
»Weil Sie sich nicht im nächsten Kapitel, auf der nächsten Seite oder im nächsten Absatz ändern sollen - sondern sofort.«
»Das geht nicht. Wir müssen jetzt mindestens noch neun Seiten lang mit Dr. Singh den Zustand der Leiche erörtern und diesen ganzen langweiligen forensischen Kram diskutieren.«
»Überlassen Sie mir das. Wir springen ein, zwei Absätze zurück, ja?«
Er nickte, und wir kehrten auf die Mitte der vorigen Seite zurück.
Jack beobachtete verdrossen, wie sich Briggs auf den Weg machte.
»Sie sind also Mary Jones«, sagte er fröstelnd.
»Ja, Sir.«
»Was haben Sie bisher herausgefunden?«
Sie suchte in ihrer Tasche nach dem Notizbuch, konnte es
aber nicht finden und zählte deshalb die einzelnen Punkte mit den Fingern ab.
»Der Name des Verstorbenen ist Sonny De-Fablio.«
»Sonst noch was?«
»Ihre Frau hat angerufen.«
»Ach ... wirklich?«
»Ja. Sie hat gesagt, es wär' wichtig.«
»Ich kann ja heute Abend mal vorbeigehen.«
»Sie hat gesagt, es wäre ... sehr wichtig.«
Jack zögerte. »Können Sie die Stellung für mich halten, Jones?«
»Natürlich, Sir.«
Jack verließ den Tatort und ließ Mary mit der Pathologin allein.
»Okay«, sagte Mary. »Wie sieht's aus, Dr. Singh?«
Wir spielten die Szene zusammen. Dr. Singh erzählte mir alles, was sie sonst Jack erzählt hatte. Da war vom Todeszeitpunkt, von Einschusswinkeln, von der Verteilung der Blutspritzer und zahllosen anderen Einzelheiten die Rede.
Als sie endlich fertig war, sagte sie: »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun, Thursday.«
»Ich auch«, sagte ich.
»Wissen Sie«, sagte die Pathologin. »Diese lange Rede, die ich gerade gehalten habe ... über Einschusswinkel, Schmauchspuren, Hautverfärbungen und so weiter .?«
»Ja?«
Sie schob sich noch ein bisschen näher an mich heran. »Ich versteh' überhaupt nichts davon. Vier Seiten technischer Monolog, und ich hab keine Ahnung, wovon ich überhaupt rede. Ich habe doch bloß eine Ausbildung als Krankenschwester in Schicksalsromanen gemacht. Wenn ich gewusst hätte, was mir bevorsteht, hätte ich wenigstens mal ein paar Stunden bei Kay Scarpetta genommen. Haben Sie vielleicht eine Ahnung, was ich eigentlich tun soll?«
Ich schnappte mir
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