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Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte

Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte

Titel: Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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und den Gattungs-Rat dazu zwingen wollten, eine Fortsetzung schreiben zu lassen, in der
sie
am Ende gewinnen?«
    »Nein«, sagte ich, »sie hat eigentlich nie von ihrer früheren Arbeit gesprochen. Was ist denn das da?«
    »Das ist die Vorderachse des Bluebird. Wie es scheint, ist sie wegen Materialermüdung gebrochen.«
    »Ein Materialschaden? Dann war es also ein Unfall?«
    Der Protokollführer nickte. Dann hatte man sie also doch nicht ermordet. Die Berichte, die Perkins, Deane und Miss Havisham über Ultra-Word™ geschrieben hatten, gaben auch kein überzeugendes Motiv für einen Mord her. Bradshaw hatte sie mir gestern gezeigt, und ich hatte selbst gesehen, dass alle drei Gutachter nur Positives über das neue Betriebssystem zu sagen gewusst hatten. Trotz der beispiellosen Serie von Todesfällen hatte ich nach wie vor bloß den manipulierten Schleuder-Helm als Beweis dafür, dass jemand Miss Havisham hatte umbringen wollen. Und nur der entwendete Käfigschlüssel wies darauf hin, dass beim Tod von Perkins nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war. Autorennen waren eine gefährliche Sache, und Miss Havisham hatte gewusst, dass sie ihr Leben riskierte.
    »Sie war eine der Besten«, sagte Tweed.
    »Von echtem Schrot und Korn«, bestätigte Bradshaw. »Solche werden heutzutage nicht mehr gemacht.«
    »In der nächsten Woche sind Sie vom Dienst befreit, Miss Next«, sagte der Protokollführer. »Bleiben Sie ein paar Tage zu Hause und erholen Sie sich von dem Schock.«
    Er zog mich beiseite. »Wir möchten Ihnen eine Anstellung anbieten, Miss Next. Ein modernes Betriebssystem wie Ultra- Word™ braucht Leute wie Sie, um es zu beschützen. Ich soll Sie fragen, ob Sie nicht dauerhaft bei uns in der Fiktion bleiben wollen. Wir haben sehr gute Sozialleistungen, und wenn Sie mal pensioniert werden, erhalten Sie drei Viertel Ihrer Bezüge.«
    Ich nickte. Das klang wirklich nicht schlecht. Wozu brauchte ich schon die wirkliche Welt? In Swindon wartete jedenfalls niemand auf mich. »Das klingt sehr attraktiv, Herr Protokollführer. Darf ich mir's überlegen?«
    Er lächelte. »Nehmen Sie sich nur Zeit.«
     
    Ich kehrte zu meinem Flugboot zurück, setzte mich auf den Bootssteg, bis die Sonne unterging, und dachte an all die Dinge, die ich mit Miss Havisham zusammen getan hatte. Als es kühl wurde, ging ich nach drinnen und las noch einmal nach, wie sie ihren letzten Auftritt in Szene gesetzt hatte. Professionell bis zum Letzten, hatte sie ihren eigenen Tod so umsichtig und sensibel gestaltet wie nur wenige andere Dinge in ihrem Leben.
    Ich ging in die Küche, suchte mir eine Flasche Wein, setzte mich an den Tisch, schenkte mir ein Glas ein und trank. Merkwürdigerweise hatte ich das Gefühl, ich sollte eigentlich keinen Alkohol trinken, aber sosehr ich auch darüber nachdachte, mir wollte kein Grund dafür einfallen. Ich sah meine Hand an, auf der heute Morgen noch ein Name gestanden hatte. Miss Havisham hatte mir befohlen, ihn wegzuwischen, und das hatte ich auch getan. Aber jetzt wollte ich doch gern wissen, was dort gestanden hatte, und versuchte, die spärlichen Überreste der Schrift zu entziffern.
    »London?« murmelte ich. »Warum könnte ich London auf meine Hand geschrieben haben?«
    Ich zuckte die Achseln. Der milde Rotwein war ein willkommener Freund, und ich schenkte mir schon bald ein neues Glas ein. Das Ultra-Word™-Exemplar des
Kleinen Prinzen
, das Miss Havisham mir gegeben hatte, lag auf dem Tisch, und ich schlug es auf. Das Papier fühlte sich an wie eine dünne Plastikfolie, die Buchstaben standen hart und schwarz auf den milchweißen Seiten. Der Text schien im matten Licht der Lampe zu leuchten. Neugierig geworden trug ich das Buch in die Speisekammer, wo es ganz dunkel war. Trotzdem konnte ich den Text lesen, als wäre es in der Kammer taghell. Ich kehrte zurück an den Tisch und schlug das Menü auf, um die Lese-Empfindlichkeit einzustellen. Noch während ich las, veränderten sich die Worte von rot zu blau - und beim Wiederlesen zurück. Die Page-Glow”-Funktion ließ sich aktivieren und de-aktivieren, und das Herumspielen mit den Hintergrundsgeräuschen und der Musik auf den Tonspuren machte mir richtig Spaß.
    Ich fing an, den
Kleinen Prinzen
zu lesen, und als die ersten Worte in mein Gehirn drangen, eröffnete sich eine völlig neue Gefühlswelt sinnlicher Eindrücke. Ich hörte den Wüstenwind singen, ich spürte die Hitze, ich roch den glühenden Sand und schmeckte ihn zwischen den Zähnen.

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