Thursday Next 04 - Es ist was Faul
mich
eigentlich
antreibt.« Er unterbrach sich und seufzte gedankenschwer. »Und das gilt leider auch für mich selbst. Man könnte denken, ich wäre gläubig, nicht wahr? Weil ich zum Beispiel meinen Onkel nicht abstechen will, während er betet und so.«
»Natürlich.«
»Das dachte ich auch lange. Aber warum sag ich dann solche atheistischen Sachen wie:
An sich ist nichts gut oder böse, das Denken macht es erst dazu!
«
»Soll das heißen, Sie wissen es nicht?«
»Hören Sie, ich bin genauso ahnungslos wie alle anderen.«
Ich starrte Hamlet verblüfft an, und er zuckte die Achseln. Ich hatte gehofft, ich würde etwas über die Widersprüche in seinem Stück von ihm erfahren, aber jetzt war ich mir gar nicht mehr sicher.
»Vielleicht mögen wir das Stück deshalb«, sagte ich schließlich. »Jedem seinen eigenen Hamlet.«
»Na ja«, schnaubte der Däne unglücklich. »Mir ist es ein Rätsel. Glauben Sie, dass eine Therapie helfen würde?«
»Da habe ich ernsthafte Zweifel. Hören Sie, wir sind jetzt fast zu Hause. Denken Sie dran: Für alle außerhalb der Familie sind Sie … Wer sind Sie ?«
»Ihr Cousin Eddie.«
»Sehr gut. Kommen Sie!«
Das Haus meiner Mutter in Swindon war von einem großen Garten umgeben, aber lediglich meine enge Verbundenheit mit dem Anwesen verlieh ihm seine emotionale Bedeutung. Ich hatte hier meine ersten achtzehn Lebensjahre verbracht, und alles an der alten Bude war mir vertraut. Das galt ebenso für den Kirschbaum, von dem ich heruntergefallen war, wie für den Gartenweg, auf dem ich Dreiradfahren gelernt und mir das Schlüsselbein gebrochen hatte. Es war mir früher nie aufgefallen, aber die Anhänglichkeit an eine vertraute Umgebung wächst mit dem Alter. Das alte Haus schien mir freundlicher und wärmer als je zuvor.
Ich holte tief Luft, nahm meinen Koffer und schob den Buggy über die Straße. Mein Dodo Pickwick watschelte hinter mir her, und ihr ungezogener Sohn Alan folgte ihr unwillig.
Ich klingelte, und kurz darauf kam ein leicht übergewichtiger Pfarrer mit Brille und kurzem Haar an die Tür.
»Ist das etwa … mein kleiner Doofus?«, sagte er, als er mich sah, und fing an zu strahlen. »Bei GSG, es ist Doofus!«
»Grüß dich, Joffy. Lange nicht mehr gesehen.«
Joffy war mein Bruder, Pfarrer in der Kirche der Globalen Standard-Gottheit. Alle Meinungsverschiedenheiten, die wir früher reichlich gehabt hatten, waren inzwischen vergessen. Ich freute mich, ihn zu sehen.
»Hoppla!«, sagte er. »Was ist denn das?«
»Das ist dein Neffe Friday«, erklärte ich ihm.
»Donnerwetter!«, sagte Joffy, machte Fridays Gurt auf und hob ihn aus dem Buggy. »Stehen seine Haare immer so hoch?«
»Das sind wahrscheinlich Überreste vom Frühstück.«
Friday starrte Joffy einen Augenblick an, dann nahm er die Finger aus dem Mund und rieb sie an seinem Gesicht. Er steckte die Hand zurück in den Mund und hielt Joffy seinen Teddybär hin. Der Teddy hieß Poley, denn es handelte sich um einen Eisbären.
»Irgendwie niedlich, der Kleine«, sagte Joffy, schwenkte Friday ein bisschen herum und ließ ihn an seiner Nase ziehen. »Bloß etwas …
klebrig
. Kann er schon reden?«
»Er redet nicht viel. Er denkt sehr viel nach.«
»Genau wie Onkel Mycroft. Was ist mit deinem Kopf passiert?«
»Redest du von meinem Haarschnitt?«
»Ach so, das ist ein Haarschnitt«, murmelte Joffy. »Ich dachte schon, du hättest die Ohren tiefer gelegt oder so ähnlich. Ist das nicht ein bisschen … extrem?«
»Ich musste für Jeanne d'Arc einspringen. Gar nicht so einfach, Ersatz für die Dame zu finden.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Joffy und betrachtete nachdenklich meine Suppenschüssel-Frisur. »Lass doch gleich alles abrasieren und fang noch mal von vorn an.«
»Das ist Hamlet«, sagte ich, damit sich der Prinz nicht ausgeschlossen fühlte. »Aber der ist incognito da, also erzähle ich allen Leuten, er wäre mein Vetter Eddie.«
»Ich bin Joffy«, sagte Joffy, »der Bruder von Thursday.«
»Hamlet«, sagte Hamlet, »Prinz von Dänemark.«
»Däne sind Sie?«, sagte Joffy erschrocken. »Das würde ich lieber niemand erzählen.«
»Warum?«
»Hallo, Liebling!«, rief meine Mutter, die hinter Joffy auftauchte. »Du bist wieder da! Du meine Güte! Was hast du denn für Haare?«
»Das ist der
Jeanned'Arc
-Stil«, erklärte mein Bruder. »Derzeit sehr in Mode. Märtyrer kommen gut auf dem Laufsteg. Erinnerst du dich nicht an die letzte Ausgabe von
Femole
mit dem
Edith
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