Thursday Next 04 - Es ist was Faul
abstellen. Aber zum Glück war wenigstens Alan draußen im Garten geblieben. Mycroft und Polly standen vor einem eigenartig geformten Messingkörper, der auf dem Tisch lag.
»Danke, Schatz«, sagte Polly und griff nach einer der Tassen. »Wie geht's dir denn immer so?«
»Mittelprächtig bis ganz schlecht, Tante Polly.« Polly war seit ungefähr zweiundvierzig Jahren mit Mycroft verheiratet. Sie hielt sich stets im Hintergrund, war aber in Wirklichkeit genauso genial wie ihr Mann. Sie war jetzt knackige siebzig und behandelte Mycrofts rücksichtslose Liebe zur Wissenschaft mit bewundernswerter Geduld. »Der Trick«, hat sie mir mal erklärt, »besteht darin, ihn so zu behandeln wie einen Fünfjährigen mit einem Intelligenzquotienten von zweihundertsechzig.« Sie hob ihren heißen Tee an die Lippen und blies vorsichtig, ehe sie daran nippte. »Denkst du immer noch daran, Smudger in der Verteidigung spielen zu lassen?«
»Eigentlich wollte ich Biffo das überlassen.« »In der Verteidigung sind beide verschwendet«, murmelte Mycroft, nahm den Messingkörper vom Tisch und feilte ein bisschen daran herum. »Du solltest Snake in der Verteidigung spielen lassen. Er hat noch nicht viel Erfahrung, aber er hat die Jugend auf seiner Seite.«
»Ach, wisst ihr, die Aufstellung überlasse ich Aubrey.« »Ich hoffe, er kann das. Was hältst du von diesem Spielzeug?« Er gab mir den Messingkörper, der etwa so groß wie eine Grapefruit und auch ganz ähnlich geformt war. Allerdings war er nicht rund. Seine Oberfläche bestand aus zahlreichen Flächen, die teilweise gleichseitig, teilweise ungleichseitig und teilweise
beides
zu sein schienen. Meine Augen hatten die größten Schwierigkeiten, sich daran zu gewöhnen.
»Das ist … sehr hübsch«, sagte ich. »Und was macht es?« Mycroft lächelte. »Leg's doch mal auf den Tisch!« Ich legte es auf den Tisch, aber der unregelmäßig geformte Körper schien damit nicht zufrieden, sondern rollte sich auf die andere Seite. Aber auch dort kam er nicht zur Ruhe, sondern wälzte sich wieder ein Stückchen weiter. Auf diese Weise rollte der Polyeder über die gesamte Tischplatte, bis er an einen Schraubenzieher stieß und dort liegen blieb.
»Ich nenne es einen Nexteder«, erklärte Mycroft und legte die Messinggrapefruit auf den Boden, wo sie weiter unregelmäßig herumrollte, ängstlich beobachtet von Pickwick, die sich alsbald verfolgt fühlte und in einer Ecke versteckte. »Die meisten irregulären Körper sind instabil«, sagte Mycroft, »aber meist nur auf ein oder zwei Flächen. Der Nexteder dagegen ist auf
allen
Flächen im Ungleichgewicht! Er bewegt sich so lange, bis er irgendwo anstößt.«
»Faszinierend!«, murmelte ich. »Aber wozu ist es gut?«
»Na ja«, sagte Mycroft, der sich allmählich warm redete. »Du kennst doch diese Armbanduhren, die sich selber aufziehen?«
»Ja, und?«
»Wenn man in einen Nexteder von etwa sechshundert Tonnen einen Trägheits-Generator einbaut, könnte man durch die ständige Rollbewegung etwa hundert Watt pro Stunde erzeugen.«
»Aber das reicht ja gerade mal für eine Glühbirne.«
»Nun, wenn man bedenkt, dass man keinerlei Energie zuführen muss, ist das doch eine beträchtliche Leistung«, sagte Mycroft ein bisschen beleidigt. »Um größere Mengen von Energie zu erzeugen, müsste man natürlich eine größere Masse benutzen. Man könnte zum Beispiel den Mars in einen Nexteder umwandeln und die Energie mit Tesla-Strahlen zur Erde zurückschicken …« Er griff nach seinem Notizblock und fing an zu rechnen, während der Nexteder hemmungslos auf dem Boden herumkugelte.
»Aber zurück zu einer ganz praktischen Frage«, sagte Tante Polly und stellte ihre Teetasse weg. »Könntest du uns vielleicht helfen, die Erfindungen zu identifizieren, die hier in der Werkstatt herumstehen? Seit Mycroft und ich den Gedächtnislöscher erprobt haben, wissen wir einfach nicht mehr, wozu das Zeug gut ist.«
»Lass mal sehen.« Ich warf einen Blick in die Runde. »Das Ding da drüben zählt die Kerne in einer ungeöffneten Orange, das mit dem Horn ist ein Olfaktograph, der Gerüche aufzeichnet, und die kleine Kiste hier kann Gold in Blei verwandeln.«
»Wozu soll das gut sein?«
»Das weiß ich nicht mehr. Mycroft hat mir nie alles gesagt.«
Polly machte sich eifrig Notizen.
»Was das da drüben ist, weiß ich auch nicht mehr«, sagte ich und zeigte auf ein Kästchen in der Größe eines Londoner Telefonbuchs.
»Das wissen wir
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